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Monuments Men

Monuments Men

Titel: Monuments Men Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Edsel
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Macht.
    Ein kalter Wind wehte durch die Straßen von Paris. Trotz ihres schweren Mantels fror Rose Valland so stark, dass sie den Gehsteig verließ und sich kurz in einen schützenden Hauseingang stellte. Sie war nicht mehr weit von James Rorimers Wohnung entfernt, nur noch einen oder zwei Häuserblocks, und sie hatte wirklich das Gefühl, dass sie sich einer Entscheidung näherte. Sie zündete sich eine Zigarette an. Sie lebte sehr bescheiden: eine kleine Wohnung, schlichte Möbel, keine besonderen Annehmlichkeiten und auch nicht viele Freunde. Das gehörte zu ihrer Schutzhülle. Sie hatte nichts, was die Nazis gegen sie verwenden konnten. Sie hatte keine engen Weggefährten, die ihre persönlichen oder beruflichen Geheimnisse hätten enthüllen können. Sie war sicher. Ihr engster persönlicher Kontakt, erkannte sie, war wohl ihr Chef Jacques Jaujard. Sie verehrte ihn sehr und würde ihm immer dankbar sein für die Chance, die er ihr geboten hatte.
    Aber wollte Jaujard sie jetzt Rorimer in die Arme treiben? Diese Frage beschäftigte sie seit mehr als einer Woche. Der amerikanische Monuments Man genoss Jaujards Vertrauen und Bewunderung. Er hatte sie schon mehrere Male zur Zusammenarbeit angehalten, was nicht nur zu Fortschritten bei der Bergung von Eigentum Pariser Bürger geführt hatte, sondern auch eine Freundschaft zwischen ihnen hatte wachsen lassen.
    Aber konnte sie ihm wirklich vertrauen? Sie hatte vier Jahre damit verbracht, Informationen zu sammeln. Vier entbehrungsreiche Jahre. In den ersten Monaten hatte sie nur Angst empfunden. Aber sie war in ihrer Position gewachsen. Im Juli 1941 wurde der französische Kurator am Jeu de Paume krank, und Jaujard übertrug ihr dessen Aufgaben im Museum. Nach all den Jahren als freiwillige Hilfskraft erhielt sie erstmals als »Attaché« eine Bezahlung für ihre Arbeit – und später als »Assistante du Jeu de Paume«. Nun war sie die Chefin der Instandhaltungsmitarbeiter, eine Aufgabe, die sie unverzichtbar machte und es ihr ermöglichte sich im gesamten Museum frei zu bewegen. Sie übermittelte regelmäßig Informationen an Jaujard, oft durch dessen loyale Sekretärin Josephine Bouchot-Saupique. Manchmal wurden ihre Berichte im Büro des Louvre geschrieben, häufig aber auf irgendein gerade verfügbares Blatt Papier gekritzelt. Bisweilen waren es auch mündliche Berichte bei Kurzbesuchen in Jaujards Büro. Als Attaché des Jeu de Paume hatte Valland das Recht, den Louvre aufzusuchen. Sie wusste, dass die Wachen sie dank ihres unscheinbaren Äußeren, das sie im Laufe dieser Jahre kultiviert hatte, ohne Kontrolle passieren lassen würden.
    In den späteren Jahren, als die Angst nachließ, akzeptierte sie allmählich das Risiko. Es war zu schwierig, sich all die Versanddokumente Zugnummern und Anschriften zu merken, daher begann sie sich Notizen zu machen. Dann fing sie an, die Dokumente abends nach Hause mitzunehmen, damit sie sie dort abschreiben konnte, und heftete sie stets am nächsten Morgen wieder in den jeweiligen Aktenordner ein, bevor die Deutschen erschienen. Sie lauschte auf Informationen bei Verpackern Sekretärinnen und deutschen Offizieren. Sie merkte sich mitgehörte Gespräche; die Nazis ahnten nicht, dass sie Deutsch verstand. Die Deutschen waren sehr gewissenhaft bei der Dokumentation; sie registrierten und fotografierten alles. Sie entwendete die Negative und fertigte Abzüge von ihnen in der Nacht, sodass sie Fotos von allen hatte: von Hofer, Behr, Lohse und Göring, wie sie beschlagnahmte Kunstwerke musterten. Sie besaß Informationen über jeden, der in diesem Haus ein- und ausging. Und sie hatte Listen von Kunstwerken, von Eisenbahnwaggons und Zielorten.
    Sie hatte einen hohen Preis gezahlt. Viele Jahre mit schlaflosen Nächten. Wochen voller Angst, wenn sie sich mit der deprimierenden Erwartung arrangierte, dass sie die Besatzung wohl nicht überleben würde. Konnte sie wirklich alles, was sie in Erfahrung gebracht und zusammengetragen hatte, einem Offizier der US-Armee anvertrauen?
    Sie starrte über die Straße zu einem unscheinbaren Hauseingang und beobachtete eine tief eingemummte Frau, die vorüberhastete. Anstatt einer Antwort auf ihre Frage überkam sie Erleichterung darüber, dass sie nun nach all den Jahren wieder als Französin ihre freien Entscheidungen treffen konnte. Sie erinnerte sich an jenen 19. August 1944, an dem die Résistance ihre ersten Schüsse abfeuerte. Wer konnte dieses Datum vergessen? Die Beschäftigten der Metro

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