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Moon

Moon

Titel: Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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ganze Zeit an Frans Seite geblieben - vor Angst beinahe zusammengebrochen wäre. Da war dieses Gefühl gewesen: etwas, das so aussieht, so verschrumpelt und zerbrechlich, so dunkel angelaufen, kann unmöglich leben. Die Hebamme hatte das Baby schräg gehalten, hatte Schleim aus dem kleinen Mund gezogen, keine Zeit, die Eltern zu beruhigen, nur um das Leben des Kindes besorgt. Sie hatte diese Verstopfung ausgeräumt, hatte fest gegen die glitschige kleine Brust geschlagen, sie wollte, daß es atmete, atmete. Dann - der erste Schrei, kaum mehr als ein leises Wimmern und kaum zu hören, und damit die große Erleichterung für sie alle, Arzt, Krankenschwestern und Eltern gleichermaßen. Man hatte sie gewickelt und auf Frans Brust gelegt, die Nabelschnur war geschickt durchtrennt worden, und Childes, ebenso erschöpft wie Fran, hatte sie beide mit einem immer breiter werdenden Strahlen betrachtet, einem Lächeln, einem
    Lachen, das seine Erschöpfung in entspannte Müdigkeit verwandelte.
    Fran, das Gesicht nach dieser Tortur erschöpft und gealtert; das Baby, noch naß und blutig, das Gesichtchen verzogen und faltig wie das eines alten Menschen; beide so friedlich in den Nachwirkungen des Kampfes. Er hatte sich über sie gebeugt, ganz behutsam, darauf bedacht, ihnen nicht weh zu tun. Er mußte ihnen so nahe wie möglich sein, und in diesem Augenblick, mit dem sterilen Krankenhausgeruch in der Nase, in den sich der Schweißgeruch des Kampfes mischte, war er davon überzeugt gewesen, daß nichts und niemand jemals ihr Einssein zerstören könnte; nichts konnte sie auseinanderbringen.
    In den folgenden Wochen schien Gabby langsam aus einem tiefen und schrecklichen Trauma emporzutauchen, was auch wirklich der Fall war - der Übergang zwischen bloßem Existieren und dämmerndem Bewußtsein. Und er verstand ganz allmählich den Schock, den die Schöpfung mit sich brachte.
    In den ersten Tagen ihres Lebens beanspruchte Schlaf den größten Teil ihrer Zeit, und wenn sie erwachte, dann waren das sanfte Episoden des Aufnehmens und des Lernens und des sich Behauptens; eine faszinierende Verwandlung. Ihr Wachsen war ihm ein Wunder, und er brachte Stunden damit zu, sie nur zu beobachten, mitanzusehen, wie sie sich entwickelte, ein kleines Mädchen wurde, das auf unsicheren Beinchen umhertappte und für den eigenen Daumen und ein Stückchen Stoff, das einmal zu einer Decke gehört hatte, größte Zuneigung entwickelte. Ihr erstes Wort hatte ihn so glücklich gemacht, obwohl es nicht >Dadda< gewesen war, und ihr grenzenloses Vertrauen zu ihm und Fran, ihre ganze unkomplizierte Liebe - das alles hatte eine völlig neue Zärtlichkeit ihm ihm geweckt, die er auch in anderen Bereichen seines Lebens bisher kaum kennengelernt hatte. Gabby hatte ihn die Verwundbarkeit eines jeden Lebewesens - ganz gleich, ob Mensch oder Tier -begreifen lassen; ein Empfinden, das ein zeitraubender Beruf, der nur aus Maschinen und Abstraktionen bestand, abgestumpft hatte.
    Und dieses neuempfundene Mitgefühl hatte ihn beinahe umgebracht, als er geistiger Zeuge der perversen Tötung der Kinder geworden war.
    Drei Jahre waren seither vergangen, und die Erinnerungen quälten ihn noch immer, gerade in den letzten Wochen stärker denn je.
    Childes hatte sich an diesem Abend auf den Unterricht des nächsten Tages vorbereitet - jener Dienstagnachmittag, den er Miss Piprelly versprochen hatte und der bereits in die Tat umgesetzt worden war. Den Mädchen standen die Prüfungen bevor, und Computerlehre gehörte natürlich dazu. Er war gereizt, weil er schon den ganzen Abend nicht richtig bei der Sache war, weil er an Gabby gedacht hatte, an die glücklichen Jahre, in denen sie eine richtige Familie gewesen waren, obwohl Fran natürlich auch in jener Zeit nicht zur Ruhe gekommen war - der Schatten ihrer PR-Karriere war niemals verschwunden. So viel war in so kurzer Zeit geschehen, und jetzt war all das zerstört, und auch die dazwischenliegenden Jahre konnten den Schmerz darüber nicht vertreiben.
    Er starrte auf die vor ihm ausgebreiteten Unterlagen, ohne sie wirklich wahrzunehmen; die abgeschirmte Schreibtischlampe vertrieb die tiefen Schatten ringsum nur sehr wenig. Ob Gabby wohl inzwischen eingeschlafen war? Er blickte auf seine Uhr: fast halb zehn. Höchste
    Zeit für kleine Kinder. Und Fran? Las sie ihr noch immer eine Gutenachtgeschichte vor, oder war sie dazu viel zu beschäftigt, viel zu müde, wenn sie nach Hause kam? Childes schob die Unterlagen zusammen und

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