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Moon

Moon

Titel: Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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Schatten, und manchmal mußte sie ihnen sogar recht geben. Sie mochte keine dunklen Ecken, keine unheimlichen Filme, sie haßte alles, was krabbelte, sie mochte das Knarren des alten Gebäudes nicht oder das Klappern der Fensterläden, wenn sie nachts wach lag, während die anderen schliefen. Und vor Schatten hatte sie wirklich eine Riesenangst, besonders vor denen unter den Betten.
    Jeanette setzte sich auf, spähte aber, bevor sie die Beine aus dem Bett schwang, erst einmal darunter.
    Erleichtert, daß dort kein Monster auf der Lauer lag, um sie zu packen und in die Finsternis hineinzuzerren, glitt Jeanette aus dem Bett. Ihre Füße berührten den Boden. Sie blieb noch eine kleine Weile auf der Bettkante sitzen und lauschte aufmerksam - dabei war sie sich nicht ganz sicher, wonach. Vielleicht erwartete sie, in einem der anderen Zimmer eine Bodendiele knarren zu hören oder ein rätselhaftes Kratzen, von einer winzigen Maus verursacht... oder das Gleiten eines abscheulichen, schleimigen Wesens, das durch die leeren Korridore kroch, oder einer riesigen, verschleierten Gestalt, die direkt hinter der Tür lauerte und nur darauf wartete, daß sie herauskam - eine Gestalt mit räudigen, krallenbewehrten Fingern - Krallen aus langen, sichelförmig gebogenen Nägeln, mit denen sie...
    Schluß! Sie jagte sich mal wieder selbst Angst ein. Manchmal haßte Jeanette ihre eigene dumme Einbildungskraft dafür, daß sie solche Gespenster heraufbeschwor. Es war hellichter Tag, das Schulgebäude war voller Leute, und sie quälte sich mit unheimlichen Gedanken. Jeanette beschloß, sich dem Rest der Welt wieder anzuschließen und bückte sich nach ihren Schuhen.
    In den linken Schuh schlüpfte sie hinein, ohne ihn zuvor aufzubinden; sie wackelte mit den Zehen und weitete die Ferse mit zwei Fingern - und hörte die herankommenden Schritte. Beinahe neugierig beobachtete sie, wie sich die seidigen Härchen auf der Oberseite ihres nackten Armes versteiften und aufrichteten. Ein schauriges Kribbeln überzog ihre Haut und erreichte den scharfen Grat ihrer Wirbelsäule.
    Jeanette richtete sich auf. Horchte. Schaute zur offenen Tür des Gemeinschaftszimmers hinüber.
    Die Schritte waren schwer, fast schleppend. Sie kamen näher. Das Geräusch war hypnotisierend.
    Jeanettes Herz schlug ungewöhnlich laut.
    Die Schritte verstummten. Für einen Moment glaubte Jeanette schon, ihr Herz habe dasselbe getan.
    Hörte sie wirklich dieses Atmen hinter der Tür?
    Jeanette richtete sich langsam auf, und der Schuh rutschte von ihrem Fuß. Sie stand neben ihrem Bett, kaum fähig, zu atmen, während der Pierrot teilnahmslos zu ihr heraufstarrte, ganz mit der eigenen Traurigkeit beschäftigt.
    Sie wollte nicht zur Tür gehen. Aber irgend etwas -vielleicht die Wut auf die eigenen dummen Ängste -zwang sie dazu. Sie setzte sich in Bewegung. Ihre Schritte waren lautlos, da sie in Strümpfen ging. Ihre Hände waren zu festen Fäusten geballt.
    Unmittelbar vor der angelehnten Tür zögerte sie, und plötzlich hatte sie mehr Angst als je zuvor in ihrem Leben.
    Hinter der Türöffnung wartete etwas.
    Das Schauturnen und die Tanzvorführung waren beendet. Miss Piprelly hatte ihre übliche prägnante und bündige Rede gehalten und schließlich den Conseiller Victor Platnauer vorgestellt, dessen Rede ebenfalls wie üblich nicht ganz so nüchtern war, jedoch immerhin eine winzige Prise Humor enthielt. Dennoch fiel es Childes schwer, sich auf die Ansprache zu konzentrieren; nach wie vor suchte er die Menge ab - nach einem verräterischen Zeichen, dem geringsten Hinweis darauf, daß da jemand unter den Gästen war, der nicht dazugehörte.
    Er bemerkte nichts Außergewöhnliches; schlimmer noch - er fühlte auch nichts, was ihm Anlaß zur Sorge hätte geben können. Alles war, wie es sein sollte: auf-merksame Zuhörer, großartiges Wetter, das nur vielleicht ein wenig zu warm war, begeisternde Darbietungen der Schülerinnen und angemessene Reden.
    Die Preisverleihung hatte gerade begonnen, als ihm eine Bewegung auffiel. Er blinzelte, nicht sicher, ob es nicht nur eine durch das Licht bedingte Täuschung gewesen war - eine Spiegelung in einem der Fenster jenseits des Rasens. Aber irgend etwas in seinem Blickfeld war nicht mehr ganz so wie vorher - und diese Veränderung spürte er mehr, als daß er sie sah. Seine Blicke huschten zu einer ganz bestimmten Stelle an der ihm gegenüber liegenden Häuserfront empor.
    An einem der oberen Fenster war ein Gesicht.
    Verschwommen,

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