Moonlit Nights
dass nicht alle aus unserer Familie so
verklemmt sind wie du und dein Vater– und dass für dich damit
noch Hoffnung besteht. Jetzt helfe ich dir schon Liam
klarzumachen, und dann beschwerst du dich auch noch.« Sie
verdrehte die Augen.
»Und wenn ich das gar nicht will?«, zischte ich. Ihr Blick wurde
plötzlich spöttisch.
»Eine bessere Partie als Liam kannst du ja wohl nicht kriegen.«
Ich kniff erbost die Augenbrauen zusammen und meine Augen
formten schmale Schlitze.
»Jetzt guck’ mich doch nicht so böse an. Ich mein’s doch nur
gut.« Meine Mutter legte ihren Arm um meine Schultern.
»Ich guck’ nicht böse, ich versuche zu töten!«, knurrte ich trotzig.
»Woher hat unser Kind nur diesen fürchterlichen Sarkasmus ...«,
antwortete meine Mutter höhnisch. Ich ging hinauf, um mich in
meinem Zimmer zu verkriechen. Gegen meine Mutter war einfach
kein Kraut gewachsen. Schmollend dachte ich darüber nach, wie
Liam wohl den Abend empfunden hatte. Liam hatte gesagt, er
müsse nach Hause, weil er das Referat vorbereiten wollte. War
das nur eine Ausrede gewesen? War ihm der Abend genauso
unangenehm gewesen wie mir? Bestimmt war er das. Sicher
wollte er einfach nur schnell weg aus diesem Irrenhaus. Liam
hatte es gut. Er konnte wenigstens einfach weg. Ich seufzte. Oder
hatte er den Rest der Woche wirklich schon verplant und musste
den Vortrag heute fertigstellen? Ein kleiner Hoffnungsschimmer
durchfuhr mich. Ich beschloss zu meiner Beruhigung daran zu
glauben, dass er den Rest der Woche tatsächlich keine Zeit mehr
hatte. Was er wohl plante? Ich grübelte noch ein bisschen darüber
nach, was Liam wohl so Wichtiges zu tun hatte, bis ich erschöpft
einschlief.
Charmante Gesten
Schlaftrunken schlug ich auf meinen Wecker und brachte ihn
zum Schweigen. Es kam mir vor, als wäre ich gerade erst
eingeschlafen. Obwohl Liam gestern Abend so früh gegangen
war, hatte er mich in gewisser Weise doch um meinen Schlaf
gebracht. Lächelnd darüber, dass mein Morgen direkt mit Liam
anfing, krabbelte ich aus dem Bett und schlüpfte ins Badezimmer,
um mich zu duschen. Gestern Abend konnte ich mich einfach
nicht mehr dazu aufraffen. Beruhigend floss das heiße Wasser
über meinen zitternden Körper. Warum musste es einem nach
dem Aufstehen morgens immer so furchtbar kalt sein? Einer der
Gründe, warum es besser war, abends zu duschen.
Zähneklappernd wartete ich darauf, dass mir wärmer wurde.
TOK, TOK, TOK machte es an der Tür.
»Was?«, fragte ich genervt. An der Art des Anklopfens hatte ich
gehört, dass es meine Mutter war.
»Ordentlich waschen!«, rief sie durch die geschlossene Tür und
schon wieder kicherte sie schelmisch. Ich reagierte gar nicht
darauf. Sollte sie doch zu Dad rübergehen und ihn am frühen
Morgen piesacken. Nachdem ich fertig war, stieg ich aus der
Dusche und stellte fest, dass ich noch massig Zeit hatte. Ich holte
den Föhn hervor und genoss die warme Luft, die mein Haar
trocknete. Eigentlich war es ja ganz bequem, morgens alles in
Ruhe zu machen. Wenn nur mein innerer Schweinehund nicht
wäre, der jeden Morgen versuchte, mich mit all seinen Kräften –
und er war verdammt stark – am Aufstehen zu hindern. Nachdem
ich fertig war, ging ich in mein Zimmer und durchwühlte meinen
Schrank nach ein paar Klamotten. Die Auswahl war nicht sehr
groß und auch schicke Kleidung besaß ich keine. Ich war eher der
sportive Typ, wenn sich das auch voll und ganz auf meine Kleider
beschränkte. Ich zog eine verwaschene Jeans und eine braune
Sweatshirt-Jacke hervor, die mit hellem Teddyfell gefüttert war.
Ein Blick aus dem Fenster verriet mir, dass ich sie heute brauchen
würde. Es war Herbst. Und heute war typisches Herbstwetter. Es
war neblig, grau und es nieselte. Unfreundliches Wetter, wie man
so schön sagte. Ein Wetter, um sich mit einer Tasse heißem
Kakao auf die Couch zu lümmeln und Liebesschnulzen zu
gucken.
»Emma? Willst du heute nicht in die Schule?«, rief mein Dad von
unten. Erschrocken blickte ich auf die Uhr. Wo war die Zeit hin?
Jetzt hatte ich noch nicht einmal mehr genug Zeit, um etwas zu
frühstücken. Ärgerlich darüber, dass ich so herumgetrödelt hatte
und mich jetzt doch noch abhetzen musste, rannte ich hinunter in
die Küche und steckte mir eine Handvoll Müsli-Riegel in die
Tasche.
»Morgen Dad, bin weg!«, schnaufte ich ihm im Vorbeilaufen
entgegen und verschwand durch die Haustür.
Mit großen Schritten eilte ich meinen
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