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Moonlit Nights

Moonlit Nights

Titel: Moonlit Nights Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Mueller
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Platzwahl hatte. Der Schultag neigte sich dem
Ende zu. Liam hatte kein einziges Wort über den gestrigen Abend
verloren. Vielleicht kannte er das selbst von zu Hause? Seine
Mutter würde zwar bei Weitem nicht so vulgär und nervtötend
sein, wie meine – welche Mutter, die nicht in einer Anstalt
weggeschlossen wurde, war das schon – doch vielleicht war sie
überfürsorglich oder hatte sonst irgendeine kleine Macke, die ihm
ebenfalls peinlich war. Dieser Gedanke heiterte mich auf.
Ob er den Abend nun als gar nicht so schlimm empfunden hatte
oder einfach nicht unhöflich sein wollte, wusste ich nicht. Ich
würde auch nicht fragen und mich mit der Antwort womöglich –
oder sehr wahrscheinlich sogar – selbst unglücklich machen. Ich
war einfach froh darüber, dass er nichts mehr dazu gesagt hatte
und dabei würde ich es auch belassen.

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    Müde
    Heute war Donnerstag. Mein Morgen begann wie neuerdings
jeder Morgen. Aufstehen – Toilette – Duschen – Zähneputzen –
Haare föhnen – Anziehen. Mit zwei kleinen Haarspangen
befestigte ich meine Haare so, dass ich sie problemlos offen
lassen konnte, ohne dass sie mir ständig ins Gesicht fielen. Das
war ein guter Kompromiss zwischen praktischem
Zusammenbinden und Auflassen für Liam. Schnell warf ich noch
einen prüfenden Blick in den Spiegel. So schlecht sah ich gar
nicht mal aus. Zufrieden hüpfte ich zwei Stufen auf einmal
nehmend die Treppe hinunter und verspachtelte in der Küche
meine morgendliche Ration Müsli, bevor ich mich auf den
Schulweg machte.
    Draußen war es kühl. Der Herbst hatte definitiv begonnen.
Brrr! Kälte und Nässe waren absolut nicht mein Ding. Warum
konnte nicht immer die Sonne scheinen? Am besten noch bei
mindestens 25 Grad? Ich verzog das Gesicht und riss den
Reißverschluss meiner Jacke hoch bis zum Kinn. Schon besser.
Heute war ich so früh, dass ich sicherlich vor Liam an der Laterne
sein würde, an der wir uns seit dem Abendessen bei uns morgens
immer trafen.
Eiligen Schrittes stürmte ich auf die kleine Kreuzung zu, wo sich
die Laterne befand. Ich hatte recht. Liam war weit und breit nicht
zu sehen. Ich versuchte mich mindestens genauso lässig dagegen
zu lehnen, wie er es bis jetzt immer getan hatte und wartete ... und
wartete … und wartete … »Heute lässt sich Liam aber verdammt
viel Zeit«, murrte ich und rieb meine Hände gegeneinander, um
ihnen wieder etwas Leben einzuhauchen. Erfolglos. Ich fühlte
mich wie ein lebendiger Eiszapfen. Nein, das war übertrieben.
Nicht wie ein lebendiger, eher wie ein toter. Meine Hände waren
eiskalt (nicht, dass das etwas Neues gewesen wäre, ich war eben
von Natur aus eine absolute Frostbeule, aber diesmal waren sie
noch kälter als sonst) und meine Füße mittlerweile taub. An meine
rote Rudolf-Rentier-Nasenspitze, die ich immer bekam, wenn ich
mich zu lange Tiefkühltemperaturen aussetzte, wollte ich gar
nicht erst denken. Das gab mit Sicherheit ein schönes Bild ab, wie
ich hier stand. Erfroren, unbeweglich, mit einer Nase im Gesicht,
die jedem Leuchtturm Konkurrenz machte.
Sollte ich noch länger hier stehen müssen, würde ich mich nie
wieder bewegen können. Soviel war sicher.
Nervös schaute ich auf die Uhr. Wenn Liam nicht bald kam,
würde ich ohne ihn losgehen müssen, sonst käme ich zu spät zum
Unterricht. Ich merkte, wie mir diese banale Einsicht einen Stich
ins Herz versetzte. Wie albern! Schließlich war ich jahrelang
alleine zur Schule gegangen. Trotzdem überlegte ich, ob es so
schlimm wäre, wenn ich in meiner ganzen Schulzeit einmal zu
spät kommen und noch ein bisschen auf Liam warten würde. Ich
hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da sah ich ihn
plötzlich. Mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf kam
Liam um die Ecke geschlichen.
»Guten Morgen, Liam!«, flötete ich ihm fröhlich entgegen, doch
er murmelte nur ein leises »Morgen« zurück. Normalerweise war
Liam morgens immer gut gelaunt und ich diejenige, die
morgenmuffelig vor sich hin brummte. Oh nein! Obwohl ich ihn
gerade mal eine Woche kannte, dachte ich von ihm, als würde ich
ihn Jahre kennen. Doch es kam mir eben so vor. Es gab diese
speziellen Leute, die man direkt ins Herz schloss und wo man
bereits nach fünf Minuten das Gefühl hatte, als würde man sie
schon ewig kennen. Und Liam war einer davon.
»Und, gut geschlafen?«, versuchte ich es noch einmal, diesmal
mit etwas mehr Elan.
»Be …« Er schaute mich an.

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