Moonlit Nights
so unschuldig, dachte ich mir. Der
schnippische Unterton in meiner Stimme war ja wohl nicht zu
überhören. Ich wartete ab, doch Liam sah nicht so aus, als wollte
er seine Antwort noch weiter ausführen. Gut, scheinbar wollte er
mir nichts von seiner Freundin erzählen. Wie gemein! Wäre es
nicht einfach nur fair gewesen, nachdem ich mir solche
Hoffnungen gemacht hatte? Ich merkte, wie mir die Tränen in die
Augen stiegen, und versuchte sie zu unterdrücken. Leichter
gesagt, als getan. Umso mehr ich darüber nachdachte, umso
penetranter wurden sie. Scheißgefühle, Scheißtränen, Scheißliam!
»Mrs Forsyth?« Mein Lehrer hatte mich aufgerufen, doch ich
hatte noch nicht einmal die Frage mitbekommen. Schuldbewusst
schaute ich ihn an. »Ja?«, sagte ich zaghaft.
Genervt wiederholte Mr Pickel seine Frage. »Welches Land
entdeckte Christopher Kolumbus?«
Doch ich war immer noch so in Gedanken an Liam und seine
Freundin vertieft, dass ich wieder nur halbherzig zuhörte.
»Kolumbus?«, stellte ich gedankenverloren als Gegenfrage. Ein
Kichern ging durch meine Klasse. »Ja, Mrs Forsyth. Soll ich es
Ihnen etwa aufschreiben?«
»Aufschreiben?« Konnte der olle Pickel mich nicht in Ruhe
lassen? Er sah doch, dass ich gerade Wichtigeres zu tun hatte.
»Amerika«, flüsterte Liam mir ins Ohr und wieder stellten sich
sämtliche Härchen auf, als sein heißer Atem auf meinen Hals traf.
Es war nicht zu fassen! Ich ärgerte mich gerade schwarz über ihn
und trotzdem hatte er solch eine Macht über mich. Ich kämpfte
gegen das Verlangen an, das sich in mir aufbäumte. Ich wollte
mich umdrehen und ihn küssen. Gleich hier und jetzt. Ich hatte
keine Ahnung wie, aber ich wollte. Doch konnte ich das guten
Gewissens tun? Jetzt, wo ich wusste, dass Liam bereits vergeben
war? Nein, ich konnte es nicht. Ich wagte auch nicht, ihn
anzuschauen. Würde ich jetzt in Liams unbeschreiblich schönes
Gesicht sehen, in seine geheimnisvollen dunklen Augen blicken,
sein zauberhaftes Lächeln betrachten, würde ich mich keine zwei
Sekunden mehr zusammenreißen können. Ich verschränkte
verärgert die Arme vor der Brust. Wenn sie vor meiner Brust
waren, würden sie wenigstens nicht Liam berühren. Es sei denn,
Liam würde ... Emma!!! So etwas darfst du nicht einmal denken!
Liam hat eine Freundin. Er ist weg vom Markt. Aus und Ende.
Hatte ich tatsächlich geglaubt, dass ein Junge wie Liam noch zu
haben ist? Lächerlich ...
Wieder ertönte die Pausenglocke und wieder ging Liam, ohne auf
mich zu warten, hinaus. Frustriert verließ ich ebenfalls die Klasse.
Mein Pausenbrot ließ ich in meiner Schultasche. Ich war zu
traurig, zu wütend und zu enttäuscht, um auch nur einen Bissen
herunterzubekommen. Ich öffnete das Haupttor und ging auf den
Schulhof hinaus.
In einer Ecke sah ich Liam mit der umwerfenden Brünetten
stehen. Zu meiner Genugtuung sah es so aus, als würden die
beiden sich heftig streiten. Zumindest, als würde sie ihm gerade
die Hölle heißmachen. Geschieht dir ganz recht Liam, dachte ich
hämisch. Man hält sich eben keine zwei Eisen im Feuer. Diesmal
verging die Pause sehr schnell. Ich beobachtete den Streit
zwischen Liam und der Superbraut und war zufrieden, als diese
ohne Umarmung wütend davonrauschte. Ich ging zurück in die
Klasse und wartete auf Liam. Er sah etwas zerknirscht aus. Ob sie
Schluss gemacht hatte?, schoss es mir schlagartig durch den Kopf,
und ich konnte nicht leugnen, dass sich ein gewisser Teil von mir
maßlos darüber freuen würde. »Ey Liam!«, grölte Kyle von
seinem Tisch herüber. Die Brünette war also nicht nur mir
aufgefallen. »Was war das denn für‘ne Mörderbraut? Erste Sahne,
Alter!«, grunzte er vergnügt. Mörderbraut? Ich wusste es. Kyle
war zu einfach gestrickt, um mich zu überraschen, doch mit
Liams Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Liam entfuhr ein tiefes
Knurren, das sich so bedrohlich anhörte, dass mir ein Schauer
über den Rücken lief. Erschrocken wich ich vor ihm zurück, doch
er hatte seine Augen starr auf Kyle gerichtet – wie ein Raubtier,
das seine Beute fixiert. Er bemerkte nicht einmal, wie ich mit
meinem Stuhl an den äußersten Rand des Tisches gerutscht war.
Kyle, der große, grobschlächtige Kyle – ich hätte nie für möglich
gehalten, dass es irgendetwas gab, was ihm Angst einjagen könnte
– sah mindestens ebenso erschrocken aus. »Nichts für ungut,
Alter. Hab‘ nicht vor, dir deine Freundin auszuspannen«,
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