Moonlit Nights
machen, doch ich hörte, dass eine
Prise Bewunderung in seiner Stimme mitschwang. Nachdem ich
meinen Gefühlen freien Lauf gelassen hatte, kam ich wieder zur
Besinnung. Erschrocken darüber, dass ich mich so hatte gehen
lassen, versuchte ich mich von Liam zu lösen. Was hatte ich ihm
da angetan? Vor allem, was hatte ich MIR damit angetan? Ich
würde ihm, meiner Klasse und meinem Lehrer nie wieder unter
die Augen treten können … Wie konnte ich nur so die
Beherrschung verlieren?
Als ich versuchte, mich von Liam zu lösen, bemerkte ich erst,
dass er meinen Kuss erwiderte. Eine Welle des Glücks und der
Freude überrollte mich. Er hatte also nichts dagegen. Meine
Mutter hatte recht. Er war zu schüchtern, um den ersten Schritt zu
machen, auch wenn jetzt nicht mehr das Geringste von seiner
Zurückhaltung zu spüren war. Sein Arm war um meine Taille
geschwungen und hatte mich näher an sich herangezogen,
während seine andere Hand fest mein Genick umschloss. Seine
Zungenspitze berührte sanft meine Lippen, doch ich wich
erschrocken zurück. Es war gar nicht so einfach, sich aus Liams
festem Griff zu entwinden, doch ich schaffte es und lächelte
entschuldigend. Auf so einen Kuss war ich nicht vorbereitet.
Schon gar nicht, wenn mir die ganze Klasse dabei zusah. Mein
Hals brannte leicht, wo Liams Finger lagen. Er hatte mich so
festgehalten, dass seine Fingernägel mir bei meinem
Fluchtversuch über den Hals gekratzt hatten.
»Himmel herrje, Mrs Forsyth, müssen sie ihrem Sexualtrieb
ausgerechnet in meinem Unterricht nachgehen?!«, fluchte Mr
Graham. Ich lief puterrot an. Glücklicherweise fragte Mr Graham
jemand anderen nach der Lösung. Die Frage war immer noch die
gleiche, doch niemand machte sich mehr darüber Gedanken. Liam
und ich standen im Mittelpunkt und ausnahmslos jeder glotzte uns
an. Die einen erstaunt, die anderen belustigt. Ich senkte den Blick.
Wenn ich nicht mehr in die schockierten Gesichter blickte, würde
sich meine Gesichtsfarbe vielleicht wieder normalisieren. Liam
schien das nichts auszumachen. Er schaute … glücklich? Seine
Augen leuchteten und er sah mich mit einem Ausdruck an, als
wäre ich ein köstlich-tuffiges Schokotörtchen, über das er sich
gleich hermachen würde.
Die Schulglocke beendete unsere letzte Stunde. Liam und ich
standen gleichzeitig auf, packten unsere Taschen und gingen zur
Tür hinaus.
»Ey Alter«, rief Kyle uns nach. »Ich wollt’ fragen… hast du Lust
heut‘ Abend mit ins Nightmare zu kommen?«
Liam schien zu überlegen, was er antworten sollte. Kyles Blick
wechselte zu mir. »Du kannst Emma natürlich mitbringen. Ich
meine, ihr seid ja jetzt zusammen, oder?« Das war eine echt gute
Frage. Danke Kyle! Ausnahmsweise war er einmal für etwas zu
gebrauchen. Offensichtlich war Kyle ein Brot mit einer (wenn
auch kläglichen) Gehirnzelle. Liam schaute mich erwartungsvoll
an und ich lächelte bejahend. »Kann man so sagen«, erwiderte
Liam und legte den Arm um meine Schultern. »Aber ich glaube
nicht, dass das etwas für Emma ist.« Entgeistert starrte ich ihn an.
»Und ich glaube, das kann ich selbst entscheiden«, beschwerte ich
mich. Dann wandte ich mich zu Kyle. »Ich komme gerne mit.«
Liam sollte nicht denken, dass ich ein langweiliger Stubenhocker
war, mit dem man nicht weg gehen konnte. Ich bereute sofort
meine voreilige Antwort, als ich in Liams weniger erfreutes
Gesicht blickte. Wollte er mich nicht dabeihaben? Wir waren
doch zusammen. Er hatte das schließlich selbst gesagt! Oder
wollte er heute Abend mit mir alleine sein? Okay, jetzt – wo ich
an einen gemeinsamen Abend zu zweit dachte, bereute ich meine
Antwort ebenfalls. »Bist du sicher?«, fragte mich Liam, als würde
er hoffen, dass ich meine Meinung ändern würde.
Ich war hin- und hergerissen zwischen einem romantischen
Abend mit Liam allein und diesem Nightmare. Aber ich hatte
zugesagt und irgendwie freute ich mich darauf, zusammen mit
Liam – MEINEM Liam – irgendwo hinzugehen. Ich wusste zwar
nicht, was dieses Nightmare überhaupt war und wo es sich
befand, aber das war mir egal. Hauptsache Liam war dabei.
»Dann bis heute Abend«, rief Kyle uns zu, während er zu einem
silbernen Audi ging. Seinem Audi. Ebenfalls ein überaus teures
und sportliches Auto für einen 17-jährigen. Ich seufzte. War ich
denn nur von reichen Schnöseln umgeben? Meine Frage
beantwortete sich selbst, als Amilia mit einem leichten Lächeln an
mir vorbeischwebte
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