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Moonshadow - Das Schwert des grauen Lichts

Titel: Moonshadow - Das Schwert des grauen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Higgins
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Schiebetür seines Zimmers, sank auf die Schilfmatte und öffnete die Schreibtasche.
    Er holte ein großes Blatt handgeschöpften Papiers
hervor und faltete es auseinander. Dann ei nen Pinsel, eine Stange schwarzer Tusche, einen kleinen gerillten Reibstein und ei nen Wasserbecher aus Ton. Nachdem er et was Wasser in die Ril len des Steins gegossen und darin Teile der Stangentusche aufgelöst hatte, tunkte er seinen Pinsel ein und begann, einen Plan von Fushimi zu zeichnen.
    Moon hatte eine Technik namens passive Erinnerung gelernt, die ihm jetzt zugutekam. Der Trick bestand darin, ein Diagramm oder eine Szene so lange anzusehen - in diesem Fall die Anlage der kleinen Stadt -, bis die In formation tief in das Unbewusste eingesunken war. Heron, die ihn in dieser Fertigkeit unterwiesen hatte, hatte das Wissen die Fliege genannt, seinen Willen die Spinne und die tiefste Erinnerung das Netz. Um die Information später abrufen und zu Papier bringen zu können, so hatte sie gesagt, solle er sich da für entscheiden, sich an sie zu erinnern, einen Pinsel in Bewegung setzen und dann sein Bewusstsein einfach wandern lassen. Sie hatte seine Fähigkeiten dann durch Meditation unter ihrer Anleitung immer weiter verfeinert.
    Zuerst hatte die Vorstellung von Tagträumen, die einen akkuraten Plan hervorbringen sollten, geradezu lächerlich geklungen. Aber unter ihrer kundigen Anleitung hatte er entdeckt, dass die passive Erinnerung genauere Karten und Pläne hervorbrachte als herkömmliche Methoden.
    »Nur wir Shinobi, wir Spione, nutzen diese Methode«, hatte Heron ihm einmal gesagt, und ihre freundlichen Augen hatten auf ihm geruht, als er ihr eifrig
ein Diagramm gereicht hatte, das er für sie aufgezeichnet hatte. »Dies ist ein weiteres Merkmal unserer größten Stärke: Unsere Macht kommt von einem Wissen, das gewöhnliche Menschen verloren haben. Es sind Überreste, Scherben der Wissenschaft des Alten Landes, aus einem Zeitalter, als die Menschen weiser und dem Land näher verbunden waren.«
    Sein Pinsel bewegte sich langsam, im selben Rhythmus wie sein Atem. Er blickte auf.
    Das beengte gemietete Zimmer war kein einsamer Ort. Mindestens zwei Moskitos kreisten die ganze Zeit über ihm, und ein erster Blick auf den Boden hatte ihn ge warnt, dass es noch an dere hartnäckige Störenfriede gab. Da her war sei ne zweite Anschaffung an die sem Morgen - ein ge bogenes Bambusrohr mit weißem Flohpulver - mindestens genauso wichtig für sein Überleben hier wie sein Schwert. Moon verfluchte diese Unterkunft, musste dann aber trotzdem lächeln. Dieses elende kleine Zimmer erinnerte ihn an die Kam mer zum Landkartentrocknen in der Bibliothek des Ordens vom Grauen Licht. So muffig, staubig und beengt jene andere kleine Kammer auch war, so musste er bei der Er innerung an sie doch immer grinsen.
    Besonders eine Begebenheit kam ihm immer wieder in den Sinn. Ein Tag, an dem Bruder Badger, Archivar des OGL, Tutor in Militärgeschichte und Theorie der Kriegsführung, mal wieder seinen geliebten Affen Saru-San verloren hatte. Obwohl Badger in seinem Leben vor dem Orden ein be rühmter Gelehrter gewesen war, hatte er diesen Namen nicht besonders
geistreich gewählt, denn er bedeutete Herr Affe . Au ßerdem handelte es sich nicht um einen besonders netten Affen.
    Moonshadow oder Nanashi, wie er damals noch geheißen hatte, sollte in besagtem Trockenraum und anderen Winkeln und Ecken nach Saru und ein paar vermissten Pinseln suchen. Das Tier liebte die sinnlose Zerstörung, aber es stahl auch Dinge, um sie ohne Sinn und Verstand einfach irgendwo zu verstecken. Nahrungsmittel, Werkzeuge, sogar Kinderspielzeug aus nahe gelegenen Häusern. Saru versteckte sie alle irgendwo, und dann geriet er außer Rand und Band, wenn er sie nicht wiederfinden konnte.
    Interessanterweise, so erinnerte sich Moon, konnte es auch passieren, dass Badger Dinge verlegte und dann ungenießbar wurde, wenn er nach ihnen suchen musste. Tatsächlich hatte Groundspider sogar einmal geflüstert, dass Saru und Badger sich äh nelten, sowohl in ihrem Charakter als auch im Aussehen. Er be merkte etwa, dass beide immer kahler wurden und leicht spitz zulaufende, zerkratzte Köpfe und sehr gelbe Zähne hatten.
    »Dieselben glanzlosen Augen …«, hatte Groundspider geneckt. »Sie könnten Halbbrüder sein.«
    An jenem schicksalhaften Tag war Nanashi in den Trockenraum gekommen und den frisch aufgehängten Landkarten ausgewichen, die von Gestellen an der Decke herabhingen. Er hielt

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