Moonshadow - Das Schwert des grauen Lichts
kontrollieren, bevor er mit ihnen floh, für den Fall, dass Silberwolf einen zweiten Trick bereithielt: eine Attrappe - falsche Pläne. Wenigstens war er darauf vorbereitet worden. Dank Badger wusste Moon genau, auf was er achten musste, wenn er die Dokumente überprüfte, und wie er deren Echtheit erkennen konnte.
Er kauerte sich auf der Truhe zusammen, im Bewusstsein der Gefahr, dass sich überall auf den Bodenbrettern weitere verborgene Fallen befinden konnten. Die Bretter selbst konnten so bearbeitet sein, dass sie an einanderrieben und wie Nach tigallen sängen und damit die Wachen - und den Tod - mit den süßesten Tönen auf seine Spur brächten. Er erinnerte sich an Badgers detaillierten Bericht über einen genialen Alarm-Boden im inneren Korridor des Schlosses von Nijo, wo vor ei niger Zeit ein Spion des Ordens vom Grauen Licht tödliche Wunden erlitten hatte, nachdem die Pa neele unter dem Gewicht seiner Füße gesungen hatten. Moon lehnte
sich nach vorne, arbeitete sich mit sei nem kleinen eisernen Haken und den dünnen Klingen von oben nach unten und versuchte sich so an dem eingebauten Schloss der Truhe.
Als ein leises Klicken erkennen ließ, dass er den Mechanismus überwunden hatte, sprang er vom Truhendeckel und hängte sich an die Sei te des schwarzen Eisentresors, der daneben stand. Mit einem Fuß stieß Moon die Truhe auf. Als der Deckel sich hob, ertönte ein leises Zischen, und mithilfe eines Federmechanismus sprang eine Klinge geradewegs aus der nach Kampfer duftenden Truhe. Moon schloss dankbar die Augen. Wenn er schlampig und sorg los ge wesen wäre, auf dem Boden gestanden und sich unklug über die Kiste gebeugt hätte, hätte die Klinge, die jetzt im Kerzenschein glänzte, ihm das Kinn aufgeschnitten.
Immer noch an die Seite des Tresors geklammert, beugte er sich jetzt vor und schwebte über der geöffneten chinesischen Truhe. Mit dem eisernen Haken fischte Moon nach ihrem außer der Klingenfalle einzigen Inhalt. Es war eine verstöpselte Röhre aus poliertem Bambus, die an einem festen Lederriemen hing. An dem Haken baumelte sie vor Moons Augen hin und her. War das die richtige Beute? Der Verpackung nach, ja.
Er musste irgendwo stehen, damit er beide Hände frei hätte, um die Plä ne zu überprü fen. Mit ei nem Fuß schloss Moon den Deckel der Truhe sorgfältig. Die federgeführte Klinge zog sich zurück, indem sie sich automatisch wieder einfaltete, die Falle rastete
mit einem doppelten Klicken wieder ein, als der Deckel gesenkt wurde. Er nickte. Sollten diese Pläne sich als die falschen erweisen, würde er die Truhe wieder öffnen und sie zurücklegen. Moon streckte sich und kletterte wieder auf den Deckel der Truhe. Er beruhigte seinen Atem und verstaute seine Werkzeuge in den Beintaschen.
Er lehnte sich nä her zum Kerzenschein und löste den Stöpsel aus der Bambusröhre. Vorsichtig zog er eine ein zelne Rolle handgeschöpften Papiers daraus hervor.
Moon glät tete die Plä ne und be trachtete sie von oben nach unten. Sofort sagte ihm sein Instinkt, dass es die echten waren. Eine Reihe technischer Zeichnungen mit Beschriftungen in einer fremden Sprache zeigten einen besonderen Apparat. Er ähnelte einer Muskete, aber ein Abschnitt in der Mitte, nahe der Abzugsvorrichtung, wölbte sich bauchig vor, wie bei einer Kürbisflasche. Weiter unten auf der Seite zeigte eine Schnittzeichnung dieses vorgewölbten Teils sechs verschiedene Kammern in de ren Innerem. Jede ein zelne Kam mer ent hielt eine eigene Bleikugel, Werg und Schießpulver. Eine Zahnradvorrichtung an jedem Ende bedeutete, dass dieses kalebassenähnliche Magazin sich drehen konnte und somit den Gewehrlauf erst mit ei ner Kammer auf eine Linie brachte, dann mit der nächsten.
Unten auf dem Blatt tru gen die Plä ne ein merkwürdiges Stempelzeichen, nach dem Moon Ausschau halten sollte, das Warenzeichen des Schwarzmarkthändlers, mit dem Silberwolf das Geschäft abgeschlossen
hatte. Also waren es wirklich die echten Pläne.
Moon schluckte. Er hatte gewusst, dass seine Mission war, Pläne für eine Waffe abzufangen, die Silberwolf einen enormen Vorteil verschaffen würde. Einen inakzeptablen Vorteil in den Händen einer Person, die eine Rebellion anzetteln wollte. Doch was für eine Waffe war das! Jetzt, da er die Details vor sich hatte, schockierten ihn die möglichen Auswirkungen dieses grausamen Apparats.
Die Kriegsführung, die alt hergebrachte Kunst von Japans herrschender Klasse, wäre nie wieder, was sie einmal
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