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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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wie Lily es angekündigt hatte, und wenn mein Äußeres auch nicht so atemberaubend war wie das der vielversprechendsten Reporterin über die
Anderen
, so blamierte ich mich wenigstens nicht. Dieses Mal hatte sie mich in ein Organzakleid in Burgunderrot gesteckt, das hervorragend zu meinem Haar passte. Es hatte lange Ärmel und einen hohen Kragen – um meine Verletzungen zu verdecken –, aber es machte durch die niedrige Taille und die komplizierte silberne Stickerei am angehobenen Saum ein Zugeständnis an die aktuelle Mode.
    Lily hatte mir sogar extra ein paar passende Slipper zum Kleid gekauft, da sie in ihrem Schrank nichts gefunden hatte, das meinen »monströsen Füßen« gewachsen war. Mein Stirnband war aus schwarzen Gagat-Perlen, akzentuiert durch blaue Pailletten in Form einer Lilie. Ich fragte mich, ob nun jeder Anwesende wusste, von wem ich das Kleid geborgt hatte – doch dann wurde mir klar, dass es egal war. Ich passte so offensichtlich nicht hierher wie Lily auf ein Treffen der Suffragetten. Aber wir waren ja auch hier, um nach Rinaldo zu suchen, und mein Kleid würden eben reichen müssen.
    Sobald wir die Penthouse-Suite des
Lombardy Hotels
betreten hatten, war Lily auch schon umringt von einer Reihe elegant gekleideter Herren. Die Band spielte diskret im Hintergrund, allerdings sah es nicht so aus, als wäre irgendjemand hier schon betrunken genug, um zu tanzen. Ein Kellner kam an mir vorbei, während ich allein und verloren ein wenig außerhalb des Kreises von Lilys Bewunderern stand, und drückte mir dezent eine Champagnerflöte in die Hand. Ich nahm einen Schluck. Komisch, ich hatte immer angenommen, Champagner müsse süßer sein, so wie alle davon schwärmen. Doch er schmeckte auf jeden Fall um Klassen besser als Horace’ Badewannen-Fusel, und ich leerte das Glas in einem Zug, um mir Mut anzutrinken.
    »Also«, murmelte ich und fühlte mich plötzlich viel besser. »Wo ist das Essen?«
    Ich entfernte mich von Lily und bestaunte die exklusiven und abnorm teuren Roben der anwesenden Damen. Irgendwie ärgerte es mich, dass diese Leute den Gegenwert von Giuseppes Jahreseinkommen für ein einziges Abendkleid ausgeben konnten – doch das intensive Verlangen, das diese Kleider in mir auslösten, war entweder ein Beweis meiner primitivsten Gefühle oder eben meiner erhabensten. Ein paar Männer warfen mir bewundernde Blicke zu und sahen in ihren Anzügen ziemlich schmuck aus. Ich ertappte mich dabei, wie ich das Büfett vollkommen vergaß und mich stattdessen nach Amir umschaute.
    Selbstverständlich wäre er auf einer Party wie dieser oder in einem Hotel wie dem
Lombardy
niemals willkommen. Lily war meine Eintrittskarte für diese Veranstaltung, doch meine Hautfarbe war sicherlich nicht weniger ausschlaggebend gewesen. Ein beschämender Gedanke – war ich nun nicht auch daran beteiligt? Ich lief weiter umher und erblickte endlich mein persönliches Walhall. Das Büfett war mit unfassbaren Mengen von Kaviar und Gänseleberpastete, Dutzenden von unterschiedlichen Käsesorten und winzigen Sandwichs beladen.
    Ich konnte die Band nun sehr deutlich hören – Essen und Musik, die beiden unerlässlichen Dinge, die man auf einer Party zuverlässig in die Ecke packen konnte. Sie spielten eine Nummer, die ich kannte, obwohl ich so beschäftigt damit war, den köstlichen Käse in mich hineinzustopfen, dass es einen Moment dauerte, bis ich auf den Titel kam: »Basin Street Blues«. Neugierig steckte ich mir ein paar Oliven in den Mund und musterte die Band. Das übliche Sextett mit Schlagzeug, Bass, Piano, zwei Klarinetten und einem Saxophon. Sie waren ziemlich gut und lockerten die Performance mit geschickten Jazz-Trillern und unverhofften Synkopen auf.
    »Offensichtlich gefällt Ihnen diese neuartige Neger-Musik?«
    Ich wandte mich um und sah, dass einer der eleganten Gentlemen, die ich zuvor bewundert hatte, sich zu mir in meinen Büfett-Unterschlupf gesellt hatte.
    »Wissen Sie, ich nenne es Jazz«, entgegnete ich.
    Seine blonden Haare hatte er sorgfältig in der Mitte gescheitelt, was ihm ein deutsches Aussehen verlieh. Verstärkt wurde dieser Eindruck noch durch sein Kinn, das ein so tiefes Grübchen hatte, dass es einem Bergsteiger als Halt hätte dienen können. Ich nahm an, dass er sich für sehr gutaussehend hielt.
    »Ja, natürlich«, sagte er. Sein Akzent klang neuenglisch, jedoch eher nach einem müden Abklatsch. »Aber die Musik hat schlechte Wurzeln. Ich habe Arnold geraten, er solle ein

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