Moonshine - Stadt der Dunkelheit
um dich.«
Ich seufzte. »Vielleicht ist diese ganze Diskussion auch überflüssig. Sieh mal, was ich heute gefunden habe.« Ich griff in meine Tasche, zog den Stapel vergilbter Papiere heraus und schob sie über den Tisch. »Mach schon«, sagte ich. »Schau sie dir an.«
Eine Weile schwieg er, doch an der Art, wie er mit dem Fuß gegen den Tisch wippte, merkte ich, wie seine Aufregung wuchs. »Das sind alte Unterlagen, aber …«
»Er muss die Markierungen auf den Karten gemacht haben, als er seine Geschäfte ausgedehnt hat. Was laut Lily gewesen sein muss, als er zum Vampir wurde. Zu der Zeit, als er verschwand.«
Amir sah mich an und grinste. »Möglicherweise deuten die Markierungen auf einen geheimnisvollen Ort hin? Sehr clever.« Mit einem Mal wurde er ernst. »Nur, was passiert, wenn sie bemerken, dass die Papiere fehlen?«
»Ausgeschlossen. Ich habe sie in einer staubigen Kiste unter einem automatischen Klavier entdeckt.«
»Darf ich sie mitnehmen?«, fragte er. »Eventuell musst du dich am Ende gar nicht mehr mit den
Turn Boys
herumärgern.«
»Selbstverständlich.« Ich biss von meinem Sandwich ab. »Vielleicht solltest du nach Zeichen in der Nähe der Untergrundbahn Ausschau halten. Vielleicht sogar im Battery Park. Nicholas hatte eine Art Anfall – wie Judah. Er hat etwas von einem Zug gemurmelt, der eine Reifenpanne oder einen platten Reifen hat.«
»Einen Platten? Zugräder haben gar keine Reifen, die Luft verlieren könnten.«
»Oh.« Ich sah ihn verblüfft an. »Tja, dann weiß ich auch nicht, was er gemeint haben könnte. Ich habe Angst, zu viele Fragen zu stellen. Möglicherweise ein Automobil?«
»Denkbar.« Er betrachtete die Papiere, allerdings unkonzentriert und flüchtig, und blickte dann wieder mich an. »Dieses Outfit … es steht dir sehr gut«, sagte er. »Ich hätte nicht gedacht, dass du zwischen dem Kampf, bei dem du eine Horde Vampire mit bloßen Händen erledigt hast, und der Szene, die du dem Bürgermeister gemacht hast, noch Zeit haben würdest, bei
Saks
vorbeizuschauen.«
Ich wurde rot. »Du hast also davon gehört?«
Sein Lächeln war überraschend freundlich. »Wer hat das nicht, meine Liebe?« Er griff über den Tisch, fuhr mit einem warmen Finger über meine Wange und folgte der Wölbung meines Halses. Unwissentlich berührte er einen Bluterguss, den ich unter dem breiten Kragen meines Mantels versteckt hatte, und ich zuckte zusammen. Glühten seine Augen immer so? Nur die Spur von Wärme unter dem Karamellbraun, ein Hauch der Glut, von der ich wusste, dass sie dort lauerte.
»Zephyr«, flüsterte er, »es tut mir furchtbar leid. Ich war so gedankenlos …«
Mich ergriff eine unerklärliche Panik, die Überzeugung, dass ich seine Entschuldigung nicht wollte – obwohl ich nicht einmal wusste, wofür um alles in der Welt er sich überhaupt entschuldigen wollte. »Eigentlich ist das Kleid eine Leihgabe von Lily«, plapperte ich drauflos. »Ich hatte nichts mehr zum Anziehen. Es war eine harte Woche. Sie hält sich für Pygmalion und mich für Galatea. Ich nehme an, es gibt Schlimmeres, als das Lieblingsprojekt einer Angehörigen der feinen Gesellschaft zu sein. Auf jeden Fall besser als Professor Higgins …«
»Zephyr.«
Ich schloss den Mund.
»Es ist vorbei. Rinaldo,
Faust
, einfach alles. Kann ich noch immer darauf zählen, dass du mir bei Judah hilfst?« Ich nickte mechanisch. »Gut. Ich muss noch einiges erledigen.« Er erhob sich und warf ein paar zerknüllte Scheine auf den Tisch. »Ich muss gehen«, sagte er. Sein Gesicht war eine Maske der Entschlossenheit, und ich erkannte ihn kaum wieder. Er legte mir eine Hand auf die Schulter – dieselbe Schulter, mit der ich heute Morgen auf das Kopfsteinpflaster gekracht war. Es tat weh, doch ich nahm den Schmerz kaum wahr. »Wenn du Hilfe brauchst, wenn du mich nicht finden kannst … Sprich einfach einen Beschwörungszauber und rufe Kardal.«
Ich zitterte. »Amir, ich kann nicht mal eine Tasse Kaffee erhitzen. Ein Beschwörungszauber? Würde ihn das nicht an mich binden?«
Er warf mir ein knappes, bitteres Lächeln zu. »Dann bitte einen Straßenzauberer, es für dich zu tun. Und mach dir keine Sorgen um Kardal. Eine U-Bahn-Ratte hätte genauso große Chancen, ihn zu binden. Es ist einfach der schnellste Weg, damit er merkt, dass du Hilfe brauchst.«
Was war hier los? Ich stand auf, um besser auf ihn einreden zu können, aber zu meiner Überraschung nahm er mir den Hut ab und küsste mich. Der Kuss an
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