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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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Eindruck, dass er nun ehrlich an mir interessiert war. Ich hatte den Köder ausgelegt, den Fisch am Haken.
    »Wie faszinierend«, sagte er. Seine tiefe Stimme war nicht gerade laut, doch bewusst klangvoll. »Was hat mich wohl als Erstes angezogen, Miss Hollis? Ihre geistreichen Sprechgesänge bei den Zusammenkünften der Vampire? Klingen die schrillen Stimmen Ihrer Suffragetten vielleicht wie eine Arie in meinen Ohren?«
    Ich spürte Lilys stummes Aufstöhnen neben mir eher, als dass ich es hörte – offenbar malte sie sich gerade ihren drohenden gesellschaftlichen Niedergang aus. Ich machte mir da keine Sorgen, denn irgendwie zweifelte ich daran, dass ihr gesellschaftlicher Stand so zerbrechlich war, wie sie es sich immer vorstellte.
    Ich lächelte süßlich. »Oh, jetzt verstehe ich das Problem. Natürlich. Sie hätten diese furchtbaren Gesetze selbstverständlich niemals so durchgehen lassen, wenn wir nur etwas freundlicher gefragt hätten. Vielleicht hätten wir singen sollen? Sie hören ein bisschen Gershwin und die Genehmigung für
Faust
geht in den Ausschuss?«
    Um uns herum erklang gedämpftes Gelächter. Jimmy Walker kniff die Augen ganz leicht zusammen, aber sein Lächeln war breit und echt. »Ihr zänkischen Walküren? Ihr könntet nicht mal als Chor in einer Wagneroper überzeugen. Lust, mir das Gegenteil zu beweisen, Miss Hollis? Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie singen.«
    Diesen Vorschlag nahm die Menge mit einer solchen Begeisterung auf, dass ich mich in meiner plötzlichen Panik nur räuspern musste, was alle als Zustimmung deuteten.
    »Arnold!«, rief unser widerlicher Bürgermeister. »Sag der Band, dass sie eine Sängerin hat!«
    »Lily«, flüsterte ich verzweifelt. »Warten Sie, ich will nicht singen. Sagen Sie ihnen, dass sie aufhören sollen …«
    Sie schürzte nur die Lippen und nahm zwei Gläser Champagner vom Tablett eines vorbeieilenden Kellners. »Zeigen Sie’s ihnen, Zeph«, sagte sie und drückte mir eine Champagnerflöte in die Hand.
    Mir blieb noch gerade genug Zeit, um sie wütend anzufunkeln, ehe die lachende Menge mich nach vorn zur Band schob. Hastig schluckte ich den Champagner herunter.
    »Keine Sorge«, sagte der Pianist, der an meiner Seite saß. »Sie werden es schon schaffen.« Ich holte tief Luft, und er nahm mein Glas. »Sie erinnern sich doch noch an mich, oder?«, fragte er dann und warf mir einen hoffnungsvollen Blick zu.
    Einen Moment lang musterte ich seine gedrungene Gestalt und die Geheimratsecken, dann fiel es mir wieder ein: der weiße Pianist aus Horace’ Klub! Erleichterung durchströmte mich. »Danke«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wie es so weit kommen konnte.«
    »Das ist der Preis des Ruhmes, denke ich. Wollen Sie ›Tea for two‹ probieren? Ich würde sagen, diese Party braucht einen kleinen Kick.«
    Er bemühte sich so auffallend, mich zu beruhigen, dass ich lächeln musste. Wenigstens hatte er schon einmal mit mir gespielt. Vielleicht endete es ja doch nicht in einer kompletten Katastrophe.
    Der Schlagzeuger zählte den Takt an, und plötzlich sah ich mich den erwartungsvollen Partygästen gegenüber. Ich war beschwipst und nervös und entschlossen, mich nicht völlig zu blamieren. Ich glaube, es gelang mir. Zumindest applaudierten die Leute, der Pianist nickte mir zu, und Lily brachte tatsächlich ein »Nicht schlecht!« hervor, statt mich wütend anzufahren, wie ich es eigentlich erwartet hatte. Was »Beau Jimmy« betraf, so prostete er mir mit seinem Weinglas zu und kam dann dem Wunsch seines
Ziegfeld Girls
nach, das offenbar zur nächsten Party wollte.
     
    Nach meinem Zusammenstoß mit dem Bürgermeister blieb ich beim Büfett, während Lily die Menge nach weiteren potenziellen Kandidaten für unsere Jagd nach Rinaldo absuchte. Schnell peilte sie einen älteren Herrn an, der eine beginnende Glatze und Leberflecke auf dem Kopf hatte und eine monströse kubanische Zigarre paffte. Bis auf ein gelegentliches Hüsteln schien sie sich von dem Rauch nicht abschrecken zu lassen. Ich konnte ihre Tapferkeit nur bewundern. Als ich nun auf die beiden zuging, nahm ich einen Hauch von
Andersartigkeit
an dem Mann wahr. Vermutlich war er kein Vampir, doch es war einen Versuch wert.
    »Lily«, sagte ich und lachte, als wäre ich ein wenig angeheitert, »Sie nehmen den Herrn ja vollkommen in Beschlag, ohne mich vorzustellen. Wie gemein!«
    Wie ich es erwartet hatte, war Mr. Kubanische Zigarre erfreut, die Bekanntschaft einer weiteren jungen, schmeichlerisch

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