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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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diese Art von Geste war, auch wenn sie mir nicht immer sinnvoll erschien, Ehrensache unter Leuten wie Daddy und Troy.
    Derek war ziemlich schwer verletzt. Troy trug ihn herein, aber die Schwestern schoben ihn eilig auf einer Liege davon, als sie die Schnittwunden an seinem Hals und am Bauch erblickten. Was neun von uns übrig ließ. Jemand bat uns in die hintere Ecke des Wartezimmers, damit die anderen Leidenden nicht zusätzlich durch unseren Gestank belästigt wurden. Ich nahm den Geruch kaum noch wahr. Eigentlich nahm ich auch sonst kaum etwas wahr, nicht einmal meine pochende Hand. Immer wieder musste ich an die letzten Momente denken, als ich Rinaldo getötet hatte. An Amirs Gesicht, als er alle Hoffnung verloren hatte. Ich hatte ihm das angetan. Ich hatte meinen Daddy über ihn gestellt. Meinen Daddy und all die anderen Leute, die Rinaldo möglicherweise auch noch umgebracht hätte, wenn man ihn nicht gestoppt hätte. Und er hatte gesagt … nun ja, was auch immer er zu mir gesagt hatte. In dieser wunderschönen Sprache.
    Daddy reichte mir ein frisches Taschentuch, und Aileen legte einen Arm um mich. Kathryn hatte aufgehört zu weinen, trotzdem wirkte sie noch betäubter als ich. Wir hatten sie, nach allem, was geschehen war, nicht im Tunnelsystem zurücklassen wollen. Bereitwillig war sie mitgekommen.
    »Kathryn«, sagte ich, da ich nicht wusste, was ich mit mir anfangen sollte, und meine Gedanken mich allmählich um den Verstand brachten, »können Sie uns vielleicht erzählen … ich meine, war Giuseppe Ihr Ehemann? Ist Judah Ihr Sohn?«
    Sie wiegte sich vor und zurück. »Ja«, sagte sie mit einer Stimme, die voll der Tränen war, die aufgehört hatten, ihr über die Wangen zu rollen. »Ja. Wir waren eine Zeitlang glücklich. Wir hatten vier Kinder. Er hat ein paar Aufträge für Rinaldo erledigt, aber nichts Großes. Dann lernte Rinaldo mich kennen. Er …« Sie zuckte die Achseln. »Rinaldo war in seiner Leidenschaft … aufbrausend. Man sagte, er würde wie ein Italiener lieben. Er liebte mich. Aber ich gehörte zu Giuseppe und wollte ihn nicht verlassen. Rinaldo gab nicht auf und fing an, uns zu bedrohen. Er sorgte dafür, dass Giuseppe seinen Job verlor. Es war hart. Aber dann wandelte dieser Junge, dieser Nicholas, meinen Giuseppe. Rinaldo sagte, dass meine Kinder die Nächsten wären. Also nahm ich Judah – er war noch zu klein, er brauchte mich – und rannte fort. Ich verließ meinen Ehemann, damit er in Sicherheit war. Fortan lebte ich mit Rinaldo zusammen. Er war … er war nicht wirklich grausam. Er liebte mich. Er liebte Judah. Ich gewöhnte mich daran.«
    »Doch dann verschwand Judah?«, sagte ich.
    Sie nickte. »Rinaldo war … außer sich. Verzweifelt. Er war sicher, dass Giuseppe ihn sich zurückgeholt hatte. Ich wusste allerdings, dass Nicholas dahintersteckte. Rinaldo änderte sein Testament, um Judah versorgt zu wissen, und Nicholas … er war eifersüchtig. Rinaldo liebte Nicholas, das müssen Sie verstehen, aber er sah in seinem Sohn etwas anderes als einen kleinen Jungen. Er sah in ihm ein Instrument, ein perfektes Instrument. Haben Sie schon mal seine Stimme gehört? Rinaldo wollte sie bewahren. Ein immerwährendes, perfektes Instrument, sagte er. Doch Nicholas verwand diese Entscheidung nie. Es ist so grauenvoll, einem Jungen das anzutun … und nun hat er meinem Jungen dasselbe angetan.«
    Sie schlug die Hände vors Gesicht, begann wieder zu weinen, und wir warteten, bis sie sich etwas beruhigt hatte.
    »Also ich wusste es«, sagte sie. »Ich wusste, dass Nicholas es getan hatte, aber Rinaldo wollte das nicht hören. Er bedrohte den armen Giuseppe und sagte ihm, er werde unsere Kinder umbringen, wenn er ihm Judah nicht zurückgebe. Giuseppe … zerbrach einfach. Er war dem Druck nicht mehr gewachsen. Er hat Gott weiß woher all dieses Geld aufgetrieben und Sie angeheuert, um Nicholas und die anderen zu töten. Er dachte, auch wenn er Rinaldo nicht erwischte, so wäre es doch zumindest eine eindeutige Botschaft. Er hoffte, Rinaldo würde uns endlich in Ruhe lassen.« Sie hielt inne. »Aber Sie, Zephyr, fingen an, den Jungs Unterricht zu geben. Giuseppe wusste, was den Jungs passieren würde. Er mochte Sie. Er wollte nicht, dass Sie zu Schaden kommen, also versuchte er, Sie einzuschüchtern und es so aussehen zu lassen, als ginge die Bedrohung von Rinaldo aus. Sie waren vermutlich einfach zu starrsinnig. Sie alle waren es.«
    »Wenigstens ist Ihr Junge noch am Leben«,

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