Moonshine - Stadt der Dunkelheit
jemandem, der eine Mönchskutte trug.
Ich erkannte ihn sofort als den Mann wieder, der mich vor kurzem in Little Italy bedroht hatte. Unwillig schüttelte er sie ab, wobei seine Kapuze herunterrutschte.
»Giudo?«, sagte Troy.
Aber nein, es war Giuseppe. Er sah Troy nicht einmal an – sein Blick war auf Nicholas gerichtet, der ihn ebenfalls anstarrte. Der Hass zwischen ihnen sprach Bände – eine gemeinsame, belastete, dunkle Vergangenheit, von der ich nichts geahnt hatte.
»Du hast meinen Sohn umgebracht«, knurrte Giuseppe unerklärlicherweise.
Nicholas lachte, schrill und ausgelassen. »Hast du das gehört, Papa? Der
bastardo
ist nicht einmal dein eigener Sohn! Hast du das vergessen?«
Natürlich – wie konnte ein Kind, das so jung war wie Judah, der Sohn von Rinaldo sein? Schließlich war er schon lange vor Judahs Geburt gewandelt worden. Außerdem waren Vampire zeugungsunfähig. Ich starrte Giuseppe an. Sein Sohn. Er hatte sich all das Geld aus einem bestimmten Grund geborgt, wenngleich nicht aus dem, den er mir genannt hatte. Alle drei – Giuseppe, Rinaldo und Nicholas – fielen gleichzeitig übereinander her. Das dumpfe Geräusch von Körpern, die mit übernatürlicher Geschwindigkeit aufeinanderprallten, hallte durch den Raum.
»Giuseppe!«, schrie Kathryn, die an der Tür stand. »Rinaldo, lass ihn in Ruhe!«
Rinaldos
puttana
. Aber für Giuseppe war sie etwas vollkommen anderes: die Mutter seiner Kinder. Seine verlorene Frau.
Da Rinaldo gerade anderweitig beschäftigt war, bot sich mir die Chance, Amir zu befreien. Vielleicht
hätte
ich ihn an Ort und Stelle verrotten lassen sollen, doch ich konnte es nicht. Später würde ich alles klären. Ich musste es nur noch lebendig bis »später« schaffen. Hastig versuchte ich, die Kreide mit meinem Stiefel wegzuwischen, aber in dem Moment, als ich den Kreis berührte, jagte eine Kraft wie elektrischer Strom durch meinen Körper, und ich sackte zuckend und nach Luft ringend zu Boden. Was zur Hölle war das?
»Zephyr! Geht es dir gut?« Amir kniete so nah neben mir, wie er konnte.
Mühsam stützte ich mich auf meinen zittrigen Ellbogen.
Rinaldo hatte mein Eingreifen selbstverständlich bemerkt. Mit einem Brüllen löste er sich von Nicholas und Giuseppe und rannte mit erhobenem Schwert auf mich zu. »Genug!«, rief er. »Sie stören!«
Ich wollte geschickt zur Seite rollen, ihm aus der Bahn, doch die Auswirkungen des Schutzzaubers des Kreises ließen meine Bewegungen so unkontrolliert werden wie die eines kleinen Babys. Ich wollte gerade nach meinem Kurzschwert greifen, da trat er auf meine Hand. Irgendetwas knackte, und ich schrie auf. Wenigstens rüttelte der Schmerz den Rest meines Körpers wieder wach. Ich wand meine pochende Hand unter ihm hervor und drehte mich weg. Gerade noch rechtzeitig. Sekunden später bohrte sich sein Schwert tief ins Holz.
»Nimm deine dreckigen Blutsaugerhände von meinem kleinen Mädchen!«
Daddy hätte seine Anwesenheit vermutlich nicht ankündigen sollen, denn die Klinge, die sonst direkt durch Rinaldos Rücken in sein Brustbein gedrungen wäre, wurde zu einem weit weniger bedrohlichen Treffer in seinen rechten Arm abgelenkt.
Ich biss die Zähne zusammen und kam mühsam auf die Knie. Wenigstens war Rinaldo auf meine linke Hand getreten. Ich konnte also noch immer kämpfen. Allerdings brauchte ich dazu das Kurzschwert. Ich sah mich um und entdeckte es, nur Zentimeter von Amirs Kreis entfernt. Unsere Blicke trafen sich, als ich mich hinkniete, um es aufzuheben. Er sah aus, wie ich mich fühlte: angeschlagen, leidend, sehnsüchtig.
»Verschwinde«, flüsterte er. »Bitte! Verschwinde einfach.«
Ich ergriff das Schwert und erhob mich. In meinem Kopf drehte sich alles, aber der Zorn brachte mich wieder ins Gleichgewicht. »
Halt die Klappe
, Amir!«
Konzentriere dich. Finde Rinaldo. Zwing ihn dazu, Amir freizulassen.
Ich wusste zwar nicht, wie ich das bewerkstelligen sollte, doch ich wusste, dass ich es schaffen würde. Oder dass ich bei dem Versuch sterben würde. Rinaldo hatte gerade alle Hände voll zu tun. Daddy lachte wie ein Wahnsinniger und benutzte seine beiden Schwerter, um sein Opfer zu bedrängen, bis es von selbst aufgab. Blut tropfte von Daddys Schläfe, und auf seiner Brust klaffte eine Fleischwunde, aber ich glaube nicht, dass er seine Verletzungen überhaupt wahrnahm. Die anderen
Defender
waren noch immer mit den
Turn Boys
beschäftigt. Wenn ich mich von hinten an ihn heranschleichen könnte,
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