Moonsurfer
der X-Plorer. So fest, dass seine Kaffeetasse abhebt. Das Schiff schlingert. Nicht durch die Wucht von Waves’ mächtiger Pranke, sondern im Seegang, der vom kräftigen, auflandigen Wind aufgeworfen wird. Die Kaffeetasse fällt neben dem Tisch auf den Boden.
»Verdammter Wind!«, flucht Waves.
Stevens Mutter schüttelt den Kopf, wirft einen zornigen Blick auf ihren Ex-Mann und hebt die Tasse, die in eine Ecke gerollt ist, wieder auf, um sie zusammen mit dem abgesplitterten Griff in den Abwasch der Kombüse zu stellen.
Der kanadische Kapitän der Explorer hat seine Ellenbogen auf die Tischplatte gestemmt. Er ist schon seit vielen Jahren in Ben Waves’ Diensten und dreht seelenruhig seine Kaffeetasse in den Händen, während er hineinstarrt, als könne er den Kaffeesatz lesen.
»Wir haben nichts als eine Schiffsglocke und ein paar Kanonenrohre«, poltert Waves, »wir haben noch immer keine Ahnung, wer die zwei Geisterschiffe sind, die hier nebeneinander geparkt haben … und ob überhaupt was Wertvolles drin ist!« Waves stampft wütend den niedrigen Raum auf und ab.
»Und jetzt, nachdem Wochen verschwendet wurden, in denen wir hätten rausbaggern können, was immer dort unten zu finden ist, macht uns auch noch das verdammte Wetter einen Strich durch die Rechnung!«
Susan Waves hasst das Wort »baggern«, wenn es um Archäologie geht. Aber der Schatzjäger flucht weiter, während aus der Ferne die Lautsprecherdurchsagen und der Westcoast-Sound des Surf-Contests zur Explorer hinüberdringen.
»Mir reichts! Hab die Nase voll von der Warterei auf irgendwelche Radio-Karbon-Messungen. Ich geh jetzt da runter, bevor der Seegang zunimmt! Werde auf der Stelle feststellen, ob sich die ganze Sache überhaupt lohnt!«
Susan Waves weiß, dass sie ihren Ex-Mann nicht mehr aufhalten kann. »Du wirst nichts anfassen, Ben!«, droht sie zornig. »Anderenfalls sorge ich dafür, dass du deine Konzession verlierst. Dann ist Schluss mit dem Schatzsuchen!«
Keine halbe Stunde später hat Ben Waves seine Taucherausrüstung angelegt, sitzt rücklings auf der Reling, streckt den Daumen in die Luft und lässt sich im Alleingang auf der etwas ruhigeren Leeseite in die aufgewühlte See fallen, während Susan Waves ihm noch einmal hinterherruft: »Rühr nichts an, Ben! Rühr nichts an, sonst …«
Aber der Schatzjäger ist längst in seine Welt abgetaucht.
Die Reste der beiden Wracks liegen in nur etwa fünfundzwanzig Fuß Tiefe und die Explorer hat bei diesem Seegang etwas weiter entfernt in tieferem Gewässer Anker geworfen.
Ben Waves schwimmt mit kräftigen Flossenschlägen gegen die Strömung an, in Richtung der Unterwasser-Grabungsstätte, während die Abendsonne zum Horizontwandert und etwas weiter südöstlich der Surf-Contest gerade seinen Höhepunkt erreicht.
Waves muss sich beeilen, denn im Dunkeln wird seine ohnehin fast sinnlose Aktion völlig unmöglich sein. Die Sicht ist schon jetzt nur mehr mittelmäßig: Die Dünung hat den Meeresgrund aufgewirbelt und zu allem Überfluss auch noch Algenfelder angeschwemmt.
Ein schwarzer Rochen kreuzt seinen Weg. Dann taucht vor ihm die flache Senke auf, die die Archäologen in den vergangenen Wochen geschaffen haben. Er erkennt das - aus seiner Sicht dämliche und vor allen Dingen verdammte - Gitternetz. Susan Waves’ Taucher haben es über die Senke gespannt. Auf diese Weise können sie jedes einzelne Fundstück noch unter Wasser auf dieser »kindischen Kunststoffplatte« aufzeichnen, die für eine maßstabsgetreue Abbildung durch Gitternetzlinien unterteilt ist.
Die meisten Kanonenrohre sind inzwischen geborgen worden. Es wurden über zwei Dutzend englische Geschütze gefunden, dafür nur wenige spanische. Ben Waves vermutet deswegen, dass es sich bei dem Spanier tatsächlich um einen kleineren Schiffstyp handeln muss, eine kurze und schwerfälligere Nao zum Beispiel - denn eine Galeone trug mehr als dreißig Geschütze.
Waves verschafft sich einen Überblick, so gut das in der aufgewühlten Suppe möglich ist. Er interessiert sich besonders für den Engländer, der ihm genauso wie seine Exfrau in die Quere gekommen ist.
Während er schwerelos durch das Wasser gleitet, hat er das erste Mal seit Langem völlige Ruhe, um nachzudenken. Seine Gedanken kreisen weiter um die Gravurauf der Glocke des englischen Wracks. Wenn Susan recht hat, ist nur ein Teil des Schiffsnamens eine Gravur: das, was als » BLACK « zu entziffern war. Der zweite Teil des Namens, » BIRD «,
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