Moonsurfer
er über seiner Schulter aufgerollt hat. Das andereEnde des Taues ist mit einem der beiden Griffe am Rand des Topfes verknotet.
Unendlich langsam und vorsichtig hangelt und schlängelt sich Snake über Stützpfosten hinweg und unter vernagelten Luken hindurch in Richtung Bug, um die einzige Stückpforte, die noch zur Belüftung des Kerkers offen steht, zu erreichen. Doch er braucht eine ganze Stunde, um in die Nähe der offenen Luke zu gelangen.
Twinjim wacht unterdessen aus der Fortsetzung eines Traumes mit der »Dicken Annie« auf, rappelt sich pünktlich wie ein Uhrwerk nach Ablauf einer Stunde hoch und tapst einstiefelig hinkend seine Runde. Er späht über die morschen Reste der Reling, unter der Snake hängt, wirft einen Blick in den leeren Kessel, der leise gegen den Achtersteven schwallt, und verschwindet wieder.
Snake, der sich an die Bordwand gepresst hat, hält den Atem an. Seine Finger krallen sich in die Spalten und Ritzen zwischen den alten Planken. Sie schmerzen höllisch. Doch er arbeitet sich weiter und kurz darauf hat er die Luke erreicht. Vorsichtig löst er die tauben Glieder seiner rechten Hand aus einem Spalt und schwingt den Arm hinüber zur Öffnung.
In diesem Moment rutscht seine linke Hand ab.
Aber Snake hat gerade noch rechtzeitig den Sims der Kanonenluke zu fassen gekriegt. Für einen Augenblick baumelt er an nur noch an einem Arm, doch im letzten Moment greift er mit der frei gewordenen Linken nach. Er versucht sich hochzuziehen, doch seine Kräfte reichen nicht mehr. Lässt er aber los, sind alle verloren.
In diesem Moment schnellt ein Schatten von innen aus der Luke und legt sich um Snakes Handgelenk. Ein zweiterSchatten folgt und hält ihn mit der Kraft eines Panthers fest, der nach seiner Beute geschnappt hat.
Sharks dunkles Gesicht taucht in der Öffnung auf.
»Snake!«, flüstert sie.
»Chark!« Snake versucht sich so leise es geht mit der Leine zwischen den Zähnen verständlich zu machen. »Chark, ninn die Leine und chieh den chokch langchang hierher!«
Doch Shark versteht Snake auch ohne Worte. Sie zieht das Tau vorsichtig aus seinen Zähnen und danach den Kessel Stück für Stück an der Bordwand entlang, bis er sich genau unter Snakes Füßen befindet.
»Mach die Leine irgendwo drinnen fest!«, flüstert Snake, aber das Mädchen will seinen Arm nicht loslassen.
»S’ist in Ordnung, ich halte mich!«
Sie verschwindet, kehrt zurück und nickt zum Zeichen, dass das Tau befestigt ist. Snake kann eine Schlinge um sein Bein schlagen und seine Hände entlasten.
»Gut, jetzt hör genau zu«, flüstert er. »Ich lass mich gleich wieder in den Topf hinunter. Mein Freund Steven wird mich dann zurück ans Ufer ziehen. Den leeren Topf ziehst du wie eine Fähre wieder zu dir zurück und lässt Turtle hineinklettern. Wir dort drüben ziehen dann wieder den Kessel mit Turtle hinüber zum Ufer. Wir machen so lange weiter, bis alle drüben sind. Hin und her. Mach schnell, bevor die Wache ihre nächste Runde dreht!«
Shark nickt zum Zeichen, dass sie verstanden hat.
Langsam lässt sich Snake zurück in den Kessel sinken, als Shark ihm bedeutet, noch einen Moment zu warten. Sie verschwindet und kehrt mit Scouba zurück, der gut gelaunt, aber genauso lautlos seinen Herrn begrüßt.
Kurz darauf legt der Topf wie von Geisterhand bewegt vom Schiffsrumpf ab und tritt seine Reise hinüber zu Steven an, der sich auf der Landzunge gegenüber der Dschungelstadt versteckt hält.
Am Ufer steigt Snake aus und verschwindet gemeinsam mit seinem treuen Begleiter im Gebüsch.
Wenige Augenblicke später ruckt die Leine, denn jetzt zieht Shark - wie ihr befohlen - wieder an. Der Topf torkelt zurück über den Sumpf.
Drei Mal wandert die Fähre unbemerkt hin und her, dann lässt sich Shark als Letzte in das ungewöhnliche Gefährt gleiten.
Auf dem Hauptdeck des Kerkerschiffes; der nächste Tag bricht an.
Am Horizont erscheint der erste dunkelrosafarbene Streifen des Morgens. Twinjim streckt seine Glieder, quält sich schwerfällig hoch und hält sich seinen schmerzenden Piratenschädel. Verwundert bemerkt er, dass er nur noch den Rechten seiner Stiefel trägt: am linken Fuß. Schwitzend zerrt er ihn über die Ferse und schleudert das Ding in die Bucht, wo der Kessel gerade ein letztes Mal unterwegs zum Ufer ist - mit Shark in seinem Inneren. Doch der Topf kommt augenblicklich zur Ruhe, denn Snake hat Twinjims Erwachen rechtzeitig bemerkt und sofort die Zugleine locker gelassen. Jetzt
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