Moonsurfer
dümpelt der Kessel im Algenteppich, als wäre er während der vergangenen Stunden nur zufällig dorthin getrieben worden.
Der Pirat tapst barfuß über das Hauptdeck und spendiert den anderen vier Wachen je einen Fußtritt als Morgengruß. In der Kajüte schlurft er am leeren Haken für den Schlüsselbund vorbei und setzt ein paar herumliegende Rumflaschen eine nach der anderen an die Lippen, in der Hoffnung auf einen übrig gebliebenen Tropfen zum Frühstück. Vergeblich. Die letzte Flasche landet scheppernd in einer Ecke. Danach torkelt Twinjim zwischen den grunzend und stöhnend erwachenden Kollegen hindurch zum Niedergang im Kanonendeck. Dort öffnet er das schwere Holzgitter und krächzt: »Ich grill mir jetzt den Hund! H-hab Hunger!«
Er stolpert die steilen Stufen hinunter. Unten angekommen reibt er sich die Augen. Einmal, zweimal, dann brüllt er:
»A-a-a-a-a-alaaaaaarm!«
Auf der Sandbank; im Gebüsch zwischen Lagune und Meer, wo Snake, Steven, Turtle, Alligator, Sting und Scouba den Alarmruf hören.
Snake und Steven versuchen sofort, die kupferne Fähre mit dem Mädchen das letzte Stück zu sich heranzuziehen, aber die vollgesogene Leine hat sich während der Zwangspause auf den Grund gesenkt und strafft sich nun in ihren Händen, ohne den Topf zu bewegen.
»Verdammt, Snake, die Leine hängt fest! Sie hat sich irgendwo verhakt!«
An Deck des Kerkerschiffes
»A-a-a-alaaaaarm!«, grölt Twinjim ein zweites Mal »Die G-g-g-gefangenen sind weg!«
Dann dämmert es ihm.
»Der verfluchte T-Topf!«
Twinjim springt zu seinem Unterschlupf, greift nach seiner Blunderbüchse, rutscht zurück zur Reling, kommt dort irgendwie mit rudernden Armen zum Stehen und legt auf den Kessel an.
Mit der kurzläufigen Muskete kann der wachhabende Halsabschneider auf eine kurze Entfernung von bis zu vierzig Fuß gehacktes Blei verschießen.
Das ist selbst für einen wie Twinjim eine treffsichere Angelegenheit.
Totale; die Bucht mit der Lagunenstadt
Der Schuss zerreißt die Stille und etwa zweihundert Piraten, ihr zwangsverpflichtetes Personal, drei Krokodile, Vögelschwärme, Sumpfratten, Opossums, Waschbären, Schildkröten, giftige und ungiftige Frösche, Schlangen, Fledermäuse, Schmetterlinge, Libellen und Moskitos schrecken aus dem Schlaf.
Ein wildes tierisches und menschliches Durcheinander bricht los.
Die Huren stolpern aus den Hütten, wie Gott sie schuf, aber nicht mehr ganz so taufrisch, gefolgt von ihren Freiern, von Quartalssäufern, von Quacksalbern und deren halbtoten Opfern.
Die Hurensöhne und alle anderen Halsabschneider rutschen nacheinander an den geölten Stangen hinunter zum modrigen Anlegeplatz für Jollen, Ruderboote, Schaluppen und Nussschalen jeglicher Bauart. Eine Faschingsgesellschaft aus Matrosen, selbst ernannten Offizieren, Kommodores, Admirälen, Vizeadmirälen und Konteradmirälen stolpert und poltert über Entermesser, Perücken, Piken, Musketen und Blunderbüchsen. Die Seeräuber hetzen über Treppenauf- und abgänge, poltern über Stege hin und her und hüpfen, die Beinkleider noch in den Kniekehlen, zu ihren Booten und auf ihre Posten.
Zoom auf die Hütte Gaspars
Aus der größten Hütte hoch über der Baumhaus-Stadt torkelt der Gouverneur hinaus auf seinen Balkon. Um seine Mitte herum nur mit gerüschter Unterwäsche bekleidet, die Kratzspuren eines Panthers im Gesicht, eine Pfeife aus hellem Gips im Mundwinkel. Eine Perücke über langen schwarzen Zöpfen, verschmiertes Rouge auf den sonnenverbrannten Wangen, der Bart reicht bis hinunter zum Nabelbruch. Seine massigen Unterarme hat er über die schmalen Schultern zweier übernächtigter, puderweiß geschminkter Mätressen gehängt. In den Händen je eine Rumflasche. Abgesehen von seinem irren Aufzug, der einen Psychopathen vermuten lässt, ein Mann in den besten Jahren: groß, muskulös und komplett bis auf einen fehlenden kleinen Finger (den er getrocknet und in einer Goldfassung an einem Kettchen um den Hals trägt).
Während sein Blick über den riesigen Höcker seiner Adlernase und über das Geschehen in der Bucht irrt, lässt er sich einen Hut vom Ausmaß eines Sonnenschirms reichen und pflanzt ihn mit einer feierlichen Bewegung auf seine Perücke. Lange Straußenfedern ragen wie der Schweif eines Gockels aus der Krempe und zittern erregt in der Morgenluft.
Unten in der Kloake
Shark hatte sich blitzschnell aus dem Kochtopf in das Brackwasser gerollt, noch bevor der Schuss durch die Lagune donnerte. Snake, Steven, Sting,
Weitere Kostenlose Bücher