Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Moonsurfer

Moonsurfer

Titel: Moonsurfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Birck
Vom Netzwerk:
sieht er Turtle und Alligator noch immer völlig unversehrt in der Furt schwimmen. Die Jäger hingegen sind mit Pfeilen gespickt, so als hätten es sich ihre eigenen Geschosse anders überlegt und wären, einem Bumerang gleich, in einem Bogen zu ihren eigenen Herren zurückgeflogen. Aus röchelnden Kehlen sprudelt Blut. Manche sind sofort tot, die Augen weit aufgerissen gaffen sie verständnislos hinüber zum anderen Ufer. In ihrer letzten Bewegung erstarrt, fallen sie wie gefällte Bäume in den Sand, ins Meer oder sinken rücklings zurück in den Urwald. Der Rest flüchtet, stolpernd, krabbelnd, humpelnd und schreiend vor Schmerzen und Entsetzen.
    Snake reißt den Kopf herum.
    Am gegenüberliegenden Ufer sieht er Sting, den Shark losgeschickt hatte, um Hilfe zu holen. Hinter dem Jungen ist eine breite Front der Krieger seines Stammes aus dem Dschungel getreten. Über zweihundert mit schwarzer Erde bemalte Männer stehen auf dem nördlichen Strand, ihre gerade eben abgefeuerten Bögen noch vibrierend in den Fäusten.
    Der Panther-Clan, das Volk von Shark und ihren Brüdern ist im letzten Moment aufgetaucht.
    Und mit der Ankunft des Panther-Clans ist endgültig auch Huracan erwacht.
In der Hütte der Tocobaga-Schamanin auf Sharkfin-Island, ein paar Tage später
    Das Dorf des Stammes liegt im Süden der Insel auf der geschützten Seite, etwa dort, wo sich über drei Jahrhunderte später ein kleiner Fischereihafen und Ralph’s Restaurant befinden werden.
    Die Hütten der Indianer thronen auf Muscheldämmen über dem Strand. Zur Landseite hin ist das Dorf umgeben von einer Palisade, die die Männer des Clans zum Schutz gegen die Piraten in einem Halbkreis um ihre Behausungen gezogen haben. In ihrer Mitte: der mächtigste der künstlichen Hügel mit dem Haus des Kaziken, des Häuptlings.
    Nördlich davon, im Reich der Ahnen weit außerhalb des Dorfes, lebt die Schamanin. Ihre Hütte befindet sich in einer kraterähnlichen Senke auf der höchsten Erhebungder Insel, vom Urwald überwuchert, wie Grumbles Hazienda. Zwei Felsbrocken bilden den Eingang zu dieser Welt: ein gestürztes V, durch das sich derjenige, der sich hineinwagt, tief hindurchducken muss. Dahinter trifft er auf lange graue Schleier aus Spanish-Moss, die von den weit ausladenden Ästen der Bäume herunterhängen und die Hütte der Alten wie das klebrige Netz einer Spinne umgeben.
    Auf einer Matte im Inneren der Behausung liegt Steven und tastet nach seinem verletzten Auge. Im selben Moment wächst eine Schlange aus seiner Augenhöhle, schwarz und dick wie eine Water-Mokkassin. Sie will sich befreien, schlägt nach allen Seiten aus, rüttelt an seinem Kopf. Er greift nach ihr, versucht, sie aus der Augenhöhle zu reißen, aber das Biest wird länger und länger. Auf einmal schwebt Moonsurfer über ihm. Doch es ist nur die Spitze des Boardes, verwittert und von tiefen Furchen durchzogen, die ein kalkweißes Augenpaar durchschneiden.
    Die Erscheinung starrt ihn an, bis eines der beiden Augen auf dem Board verschwindet und nur ein Riss übrig bleibt, der quer über das Holz geht, so, wie das schiefe Band einer Augenklappe das Gesicht eines Piraten unterteilt. Plötzlich wachsen knochige Arme hinter der Erscheinung hervor.

    Sie greifen nach der schwarzen Schlange und ziehen sie mit einem kräftigen Ruck heraus. Schlagartig ist das Board verschwunden, hat einer fratzenhaften Maske Platz gemacht. Der Schmerz kehrt zurück, wie ein Messerstich in Stevens Auge, bis ins Gehirn.
    Er wacht auf.
    »Er ist zurück!«, flüstert Shark.
    Und Steven schreit.
    Er brüllt in den scharfen Rauch verbrannter Kräuter, der durch die Hütte wabert. Er brüllt seinen Schmerz hinaus, brüllt seine Wut über seinen Vater hinaus, der die Familie verlassen hat. Er brüllt, weil er ihn verlassen hat, um nach etwas zu suchen, das ihm wichtiger ist: nach Gold.
    Sein Schrei geht in ein Husten über, ein Keuchen und Speien auf die zerstampften Muschelreste am Boden der Hütte, bis das Husten zum Lachen wird. Ein verzweifeltes Lachen.
    Währendessen umkreist ihn die Maske.
    Steven versucht sich aufzurichten, doch zwei sanfte Hände drücken seinen schweißüberströmten Oberkörper vorsichtig zurück auf die geflochtene Matte aus Palmblättern.
    Für einen kurzen Moment erkennt er Shark.
    Doch die Fratze rast wieder und wieder auf Steven zu, um sich jedesmal in den Qualm zurückzuziehen, der die Hütte ausfüllt. Steven kann bald nicht mehr unterscheiden, ob er es selbst ist, der auf die

Weitere Kostenlose Bücher