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Moor

Moor

Titel: Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Geltinger
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Weil sie aber nachts komische Geräusche hört und sich fürchtet, zieht sie bald um in dein Bett, wo ihr euch abends, eng aneinandergerückt, Schauergeschichten erzählt.
    Auch dir hat die Vorstellung gut gefallen. Tanjas Eltern würden Verwandtschaft und Schulkameradinnen abklappern, am Ende die Polizei alarmieren, die Bahnhöfe und Autobahnraststätten durchkämmt, bei dir aber wäre sie sicher. Noch nie hat ein Kind aus dem Dorf hier Zuflucht gesucht. Draußen wird es immer kälter, vor den Fenstern türmt sich der Schnee, ihr seid abgeschnitten von der Welt, mutterseelenallein.
    Ich rüttele wieder an der Tür, knusper knusper Knäuschen , kratzt es von draußen, wer knabbert an eurem Häuschen?Ihr fasst euch bang an den Händen. Ronja, die als Nachfahre des Wolfs weiß, dass die Märchen, aus der Tierperspektive erzählt, böse enden, antwortet mit einem angriffslustigen Bellen, rennt aus dem Zimmer und knurrt: Der Wind, der Wind, das himmlische Kind . Du willst den Welpen zurückbefehlen, viel zu spät kommt dir der Name über die Lippen. Pech, Dion, hättest du mal besser, statt dich mit Konsonanten herumzuschlagen, die Sprache der Hunde gelernt!
    Der Himmelsbote ist eine Höllenbö und stößt Hannes herein, eine Kiste in den Händen. Futter, sagt er und tritt die Tür ins Schloss. Kramt in den Vorräten, steckt die Marzipanschokolade in die eine, den Butterkuchen in die andere Tasche seines Parkas, von dem die Schneeplacken rutschen. Von Mudder, sagt er, knallt das Fresspaket auf die Kommode und grinst zu dir hoch.
    Noch nie im Leben hast du dich so geschämt. Wünschst dich raus aus dem Seidenfummel und hinein in T-Shirt und Jeans, besser gleich Hannes’ abgetragene Latzhose von früher, die dir Marianne in der letzten Nacht schon auf dem Stuhl zurechtgelegt hatte. Wieso bist du ausgebüxt?, fragt er und zieht zwischen Konserven und Nudelpaketen eine Flasche hervor, die er aufschraubt und an Tanja weiterreicht. Die setzt an und trinkt, erleichtert, dass hier nicht die Mutter steht, doch da ist noch etwas anderes, eine Art Triumphgefühl, sogar Stolz, dass Hannes nun ihren Plan durchkreuzt, als wäre sein Auftauchen der eigentliche Clou ihrer Flucht, der Höhepunkt, auf den alles hinausläuft.
    Sie prustet ihm eine Gischtfontäne ins Gesicht. Erst nach ein paar zerdehnten Sekunden, in denen ich alles gegen das Haus peitsche, was draußen keinen Halt mehr findet, wischt er sich die Tropfen aus dem Gesicht und sagt: Selbstgemachte Brause von Oma. Tanja bricht in schrilles Gelächter aus; deine Oma fährt im Schweinestall Motorrad, singt sie und torkelt nah an ihn heran. Beim zweiten Schluck schießen ihr die Tränen in die Augen; durch den Schleier erscheinen ihr sein Eulengesicht mit der Hakennase und der eckige Körper geradezu sanft und schön. Wie leicht plötzlich alles ist!
    Dir aber wird es schwer ums Herz. Die Eifersucht ist das gelbe Gefühl, das in den Augen zwickt und Hannes’ spitze Züge zur Fratze verzerrt. Ein Mädchen, zwei Knaben, einer geht baden, reime ich dir die drohende Pleite ins Ohr und dränge dich die Treppe hinunter, hinein in Hannes’ Blick, der die Körper abzirkelt, die eindeutigen Schatten unter deinem Nachthemd und in Tanjas Gesicht die geschminkten Lippen und Lider, den liebestollen Putz.
    Hat er’s sich doch gleich gedacht! Wie die beiden hier zur Sache kommen. Von seinem Fenster aus hat er Tanja über den Heidedamm laufen sehen, kurz nach seinem Anruf, taumelnd durch den Sturm wie besoffen. Von wegen, dachte er, die darf nicht ins Hallenbad. Bei mir macht sie auf Mimose, aber den Stotterer lässt sie ran, so ist es in seinem Kopf herum, bis ihm vom Starren ins Sturmtreiben schwindelig wurde. Dann der Moment, als Tanja stürzte. Ein Ast ist knapp hinter ihr runter. Obwohl die Sicht schlecht war und die Scheibe dazwischen, glaubte er, das Geräusch zu hören, Cronk!
    Er warf sich aufs Bett und blätterte in seinem Batman-Comic. Legte den Finger auf den Schenkel der Heldenfigur und spürte, wie unter dem engen Anzug der Muskel zuckte. Keine Ausgabe der Reihe hat er bisher zu kaufen verpasst. Er lauschte hinunter in die Stube, drückte sich gegen die Wandund zog das Heft bis dicht unter die Nase. Roch das Papier, seinen eigenen Atem, die Zwiebelsoße vom Mittagessen. Wieder so ein öder Tag, dachte er, der Knecht lag mit Fieber im Bett, er wird im Stall aushelfen müssen, später bei den Silos, am Vormittag war eine Fuhre Futter gekommen. Batman posierte starr in seinem

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