Moor
Er dreht sich im Zauberkreis um das Klo, posiert dann im Sperrgebiet der Wanne, erobert den magischen Raum. Beugt sich über das halbierte Becken, teilt mit dem Schminkstift den Spiegel in gleich große Kästen. Links oben zieht er sich aus. In vier Schnitten verwandelt sich der Bauernjunge in den schwarzen Ritter.
Du schwankst schon, bevor du den nächsten Schluck nimmst; nicht einmal draußen am großen Kolk ist der Boden je so schwammig gewesen. Tanja fasst dich am Arm, fragt: geht’s?, ihre Stimme jetzt auch kurz vorm Kippen. Klar geht das, Dion!, und ich packe dich von der anderen Seite und boxe dich vor das Nachtkästchen, wo deine Mutter die Medikamente hortet. In der Schublade tatsächlich ein Blister, die letzten zwei Lexotax darin, die sie noch hätte schlucken müssen, damit ihre Seele davonfliegt.
Du drückst Tanja eine Pille in die Hand, doch sie zögert, ist längst schon am Limit. Damit gehen wir hops, lallt sie undbetrachtet ängstlich die Tablette. Hops!, rufst du, wirfst die Lexotax in die Luft und fängst sie mit dem Mund auf, ein kleines, weißes, berauschendes Wort, schwerelos und stotterfrei wie der Tod. Die Schlange, die Ronja euch zu Füßen legt, ist auch schon hinüber. Tanja bückt sich und zerrt das Knäuel auseinander, das einmal Margas teuerster Büstenhalter war. Würde mir das auch stehen? Sie hängt sich das zerbissene Ding um den Hals, steckt die Fäuste in die Körbchen, macht einen Knutschmund, stakst auf imaginären Pumps durchs Zimmer und präsentiert ihre nicht vorhandenen Kurven. Du packst sie am Arm und zerrst ihr die Hände aus der Wäsche. Lass das!, rufst du mit dem bitteren Film von Korn, Schmerzmittel und Lexotax auf der Zunge, einer Mischung, mit der du sprechen kannst wie geschmiert.
Wieso? Tanja blickt dich mitleidig an. Dass deine Mutter das macht, sei doch kein Geheimnis. Ein paar Sekunden lang liegen ihre Fäuste in deinen. Ob sie wirklich jeden nehmen müsse? Sie knetet deine Hände, als könnte sie dich so mit Tapferkeit impfen, dich immunisieren gegen alles, was nun kommt. Du willst sie an dich ziehen, gleichzeitig wegschlagen; es wäre, Dion, der richtige Zeitpunkt, der Kleinen, die schlecht über deine Mutter spricht, einen Denkzettel zu verpassen!
Tanja beißt sich auf die Lippen. Sie muss aufpassen, was sie sagt. Darf es sich mit dir jetzt nicht verscherzen. Ich finde das gut, lenkt sie ab, und, weil du sie jetzt noch misstrauischer anschaust: Deine Mutter tut eben, was ihr Spaß macht. Ich stöhne ungeduldig auf. Das überzeugt ihn nicht, flüstere ich ihr zu, spiel es ihm vor! Doch du kommst ihr zuvor. Biegst ihre Finger auf, schnippst das Fünfmarkstück in die Luft und fängst es noch vor Ronja auf, die wie eine Sprungfeder in dieHöhe schnellt. Wenn sie nun deine Schwester sei, sagst du in einem Tempo, dem ich kaum hinterherkomme, könne sie es dir ja auch zeigen, und du deutest auf ihren Rock. Tanja starrt dich entgeistert an, auch mir stockt der Atem. Dion, habe ich das gerade richtig verstanden? Du willst ihre Möse sehen?
Langsam weicht der verblüffte Ausdruck in ihrem Gesicht einem Grinsen. Sie zieht den Saum bis zu den Knien und sagt: Zehn Mark, wenn ich auch deins sehen darf. Ihr tauscht Münzen, Blicke, Berührungen von spitzen Fingern. Du lupfst das Nachthemd, ihr Schlüpfer hat ein Blümchenmuster. Die Mulde ist flaumig, ein Vogelnest aus Daunenfedern, nicht so kraus und struppig wie bei der Mutter. Ich hole ungeduldig Luft. Das sind die Fakten, Dion, sie die Frau, du der Mann. Und jetzt?
Schnell was anderes spielen, denkt Tanja und streicht das Kleid über ihren Beinen glatt. Kannst du das auch? Sie klappt wie ein Taschenmesser zusammen, dann ist sie wieder oben. Es sei Hannes’ Idee gewesen, flüstert sie und deutet zum Bad. Sie hätten gewettet, aber er komme nur bis hier. Sie knickt in den rechten Winkel, bläst die Backen auf und prustet los. Du spürst wieder das gelbe Gefühl, das dir jeden Widerspruch auf der Zunge zersetzt. Das also verlangt er von ihr? Mit solchen Spielen hat der Bauer sie rumgekriegt?
Zwölf Mark für den, der es länger schafft, sagst du und stellst dir dabei ein Geknäuel der Leiber vor, rad- oder herzförmig, ein Tandem. Rückst ihren Körper zurecht, eine Brustlänge Abstand zu dir, mit parallel versetztem Becken, seitlich geneigtem Kopf und durchgedrückten Knien; bei den Libellen sind Thorax und vor allem das schlanke Abdomen äußerst beweglich. Nur so schafft es das Männchen, seinen Samenvon der
Weitere Kostenlose Bücher