Moor
Kasten, wollte nicht springen und kämpfen. Dieses Scheißkaff, dachte er, alles Idioten, eine im Stall verplemperte Jugend. Der Vater rief von unten seinen Namen, Hannes mit ß, wie immer, wenn er im Brass war. Auch den Brühkessel hatte er noch nicht sauber gemacht.
Und nach der Schule der Streit mit der Mutter. Zur Fremdenlegion, so eine Schnapsidee!, hatte die gerufen und ihm die Vorratskiste in die Hand gedrückt, die er rüberbringen sollte. Ich denke, wir müssen sparen, erwiderte er und betrachtete die Leckereien, Schokolade, Plätzchen, die teuren Fertiggerichte aus Ilse Blochs Laden, und hier, dachte er, wird jeder Pfennig zweimal umgedreht. Wie ihn das ankotzt. Wann krieg ich endlich den Zuschlag für das neue Mofa?, sagte er und knallte den Karton auf den Tisch. Noch zwei Jahre, dann bin ich hier weg. Marianne seufzte, schwer und sorgenvoll, wie immer, wenn die Kinder ihr Kummer bereiteten, wischte sich die Hände ab und sagte: Dein Vater hat große Pläne. Der zählt auf dich. Du gehst wie alle anderen zur Bundeswehr, dann kommst du zurück und übernimmst den Hof! Da hatte er sich umgedreht und war hoch in sein Zimmer, wo er die Eltern verfluchte und sich wegträumte, möglichst weit, in ein anderes Land, ein heißes, wüstenhaftes, wo im Ausbildungscamp schweißbedeckte Körper miteinander ringen. Die Idee war ihm gekommen, als er einmal einen Bericht über die Fremdenlegion im Fernsehen gesehen hatte. Im Detail stellte er sich vor, wie er mit anpackt, ineiner Männergemeinschaft, die für die gute Sache einsteht, irgendwo auf der Welt.
Auch Batman kämpft gegen das Böse, im Fledermauskostüm, das ihm Macht und übernatürliche Kräfte verleiht. Ich werde sein wie er, dachte er und wartete, bis es unten in der Stube wieder still war. Dann schob er die Hose auf die Knie und fasste sich an. Er spürte das knisternde Nylon auf dem Körper des Kämpfers, die glatte, kühle Fledermausmaske auf seinem Gesicht, die Wucht lebensgefährlicher Sprünge und akrobatischer Manöver. Streckte die Knie durch und zerrte sich über das Heft, bis es wehtat. Die Figuren sprangen aus ihren Kästen, Zwapp!, Swoosh! und Zonk! platzten die Fausthiebe seines Helden, der die Verbrecher zu Boden schlägt, ein rhythmisches Knacken und Zerkrachen der gegnerischen Schädel und Knochen, elegant und geschmeidig wie in einem Tanz.
Batman siegte. Mit dem Fuß trat er den letzten Rivalen aus dem Weg und hob schon triumphierend die Faust. Da stand er ihm plötzlich selbst gegenüber, seinem Idol, im elastischen grünroten Dress des Kumpanen Robin, so dass Batman ihm, Hannes, vertraute, das war sein Fehler. Mein tapferer Freund!, rief der Sieger und streckte Robin die Hand entgegen. Der schlug ein, wirbelte Batman herum und brach ihm mit einem markdurchdringenden Cronk! den Arm.
Ich will auch ein Kostüm, sagt er und deutet auf eure Verkleidung. Tanja blickt triumphierend zu dir hoch. Deine Chance, Dion!, flüstere ich, also reich ihm die Hand! Du tust wie befohlen. Er schiebt dir die Flasche durchs Geländer, eure Finger berühren sich an den Kuppen, für einen Zufall eine Sekunde zu lang. Großmutters Brause ist ein scharfer Korn, der dir die Knoten aus der Kehle ätzt. Auf der Zunge bleibtein taubes Gefühl, wie leergebrannt. Du singst den Trinkspruch, und Tanja stimmt ein: Hannes’ Oma ist ne ganz patente … Sau. Sie krümmt sich vor Lachen, Hannes grinst mit schiefem Blick, und ich verbeuge mich mit einer kurzen Flaute. Dann setze ich den Sturmmund auf das Ziegelloch und sauge euch die Treppe hoch und hinein in den Kleiderschrank der Mutter.
Alles Nuttenzeug!, sagt Hannes. Tanjas Augen leuchten. Sie hält sich Miniröcke, Netzstrümpfe und Korsagen an den Leib, fischt das rote Kleid vom Haufen und wirft es sich über. Im Schrank hängt kein einziger Kleiderbügel, alles ist gefaltet und in Stapeln geschichtet. Am Boden türmt sich Ausgedientes. Hannes wühlt mit spitzen Fingern, Tanja zupft und gickst, du stehst mit hängenden Schultern und einem immer drängender werdenden Gefühl von Verrat, und Ronja hat sich in einem Büstenhalter verwickelt.
Aus der hintersten Ecke zieht Hannes das schwarze Bündel. Das ist ja fies, sagt Tanja, so was trägt deine Mutter? Ein Lichtreflex zittert auf dem Latex, blitzt aus Hannes’ Augen, die jetzt glasig und schmal sind; auf dem Weg ins Schlafzimmer habt ihr die Kornflasche herumgereicht. Du spürst den Schwindel, die abgefederten Gefühle, einen Raum, der an den Rändern ausreißt und
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