Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
Vom Netzwerk:
zwischen den Sternen zu sterben, und schwankte im Takt der Trommeln, den Blick ins Leere gerichtet.
    »Christopher!«, schrie sie, doch das Tosen des Feuers verschluckte ihre Stimme.
    Dennoch wandte er ihr sogleich das Antlitz zu, ein lebloses Grinsen auf den Lippen.
    »Wo ist Razi?«
    Christopher deutete auf die dunklen Bäume hinter sich, und Wynter sah Razi wie einen Betrunkenen auf sie zutaumeln.
Sein Blick war in die Flammen gerichtet, der Mund stand offen, das Gesicht war überströmt von Tränen.
    »Haltet sie auf!«, rief er, von Stamm zu Stamm stolpernd, die Stimme verzweifelt gegen das Prasseln erhoben. »Haltet sie auf!«
    Immer schneller schlugen die Trommeln, der feierliche Rhythmus wurde zu einer wild hämmernden Raserei. Instinktiv drehte sich Wynter zu dem Flammenmeer um, von Entsetzen erfüllt. Da raste ein dröhnender, gewaltiger Luftschwall heran, und etwas Riesiges, Dunkles stürzte zu Boden. Die Erschütterung war so heftig, dass Wynter in die Luft geworfen und in die Finsternis jenseits des Feuerscheins geschleudert wurde.
    Mit einem Ruck erwachte sie, und ihr erster Gedanke war: Heute wird Razi es dem König sagen . Draußen dämmerte es noch kaum, die Luft war kühl und feucht vom Dunst. Sie schüttelte den bangen Traum ab – Lärm und Rauch, die entsetzliche Hitze, alles verflüchtigte sich rasch in der frischen Morgenbrise. Nur Razis Gesicht blieb haften, tränenüberströmt und erschrocken, flehend. Träume werden nicht immer wahr, redete sie sich gut zu.
    Dann stand sie auf, wickelte sich in den Mantel ihrer Mutter und lief auf Zehenspitzen in den Nebenraum, um nach ihrem Vater zu sehen.
    Lorcan schlief, Wynter konnte seinen gleichmäßigen Atem in der Dunkelheit hören. Die Fensterläden waren geschlossen, lediglich aus dem Kamin verbreitete das fast heruntergebrannte Feuer einen schwachen Schimmer. So leise sie konnte zündete sie eine Kerze in der schwachen Glut an und begann, Asche in einen Eimer zu schaufeln.
    Heute werde ich es Marni sagen, dachte sie.
    In der Mitte der Feuerstelle häufte sie die wenigen noch
glühenden Kohlestückchen auf, schichtete Zunder darauf und blies sachte, bis er aufflammte. Nach und nach legte sie Scheite auf, bis ein fröhliches kleines Feuer im Kamin tanzte, das Lorcans Kammer mit Licht erfüllte und mit der Wärme, von der er anscheinend nicht genug bekommen konnte.
    Das ist der erste Tag unseres Abschieds.
    Immer noch vor dem Kamin kniend, drehte sie sich zu ihm um. Er wirkte friedlich und dem Schmerz entrückt, und sie wünschte, es könnte auf ewig so bleiben.
    In diesem Moment beginnt unsere Trennung, dachte sie. Christopher, Razi und ich gehen fort. Bald wird er allein sein. Wie kann ich das tun? Wie kann ich ihn allein lassen?
    Es wäre so wundervoll, wenn Lorcan einfach gesund wieder aufwachen würde. Wenn er die kraftvollen Arme über dem Kopf recken, grinsen und aus dem Bett springen könnte, wie er es früher getan hatte, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war.
    Damals hatte er sie sich hoch auf seine Schultern gesetzt und war vor dem Frühstück mit ihr über die Wiesen spaziert. Dann hatte sie ihre rundlichen kleinen Fäuste um seinen Hals verschränkt und sich an der aufgehenden Sonne erfreut, die auf dem taubenetzten Gras glitzerte. Lorcans Haar war in dem hellen Licht aufgeflammt, und Wynter hatte ihr Kinn auf seinem Kopf abgestützt und das Leuchten genossen. Gemeinsam hatten sie die freie Luft geatmet und nach Füchsen und scheuen Rehen Ausschau gehalten.
    Ich liebe dich so sehr, Vater . Ihr Herz krampfte sich zusammen.
    Lorcan seufzte im Schlaf, seine Hände krümmten sich, dann lagen sie wieder glatt auf der Decke.
    Er verdiente so viel mehr als das. Er verdiente Frieden und Kameradschaft. Er verdiente liebevolle Freunde um sich. Er
verdiente eine behagliche, behütete Genesung in seinem eigenen Heim. Das hier verdiente er nicht: überwacht, abgeschottet, belagert, allein zu sein. Beständig bedrängt und geplagt zu werden, so dass sein Körper nicht heilen konnte. Wo waren seine Freunde? Wo war der König – der Mann, der ihn Bruder nannte, der ihn ihr gesamtes Leben lang so sehr geliebt hatte?
    Er bedeutet ihnen nicht so viel. Er steht immer an zweiter Stelle hinter größeren Dingen . Sie neigte den Kopf, der Schein des Feuers umspielte ihre Hände. »Ich kenne meinen Platz«, hatte Lorcan stets gesagt, und dieser Platz lag genau dort: an zweiter Stelle, immer nur hinter den Belangen des Königreichs. Und nun … nun

Weitere Kostenlose Bücher