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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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werde auch ich ihn verlassen, dachte sie . Selbst ich – weil es Dinge gibt, die bedeutsamer sind, bedeutsamer als dieser wundervolle Mann, der mir alles gab, was er hatte, der mich nie enttäuschte .
    Wynter konnte diese Gedanken nicht ertragen. Sie konnte es einfach nicht – sie würden sie noch umbringen. Also stand sie auf und schlich in ihre Kammer. Sie würde sich waschen und anziehen, sie würde nach einem Frühstück schicken, sie würde mit Marni sprechen und auf Neuigkeiten von Razi warten. Genau das würde sie tun. Eine Aufgabe. Dann eine andere Aufgabe. Und noch eine. So würde sie den Tag überstehen, die Hände geballt, die Zähne zusammengebissen, den Kopf gesenkt. Heute und jeden folgenden Tag – sie würde sie überstehen, einen nach dem anderen.
     
     
     
    Eben leerte sie ihr Waschwasser aus dem Fenster, als Lorcan nach ihr rief. Seine Stimme klang angestrengt und ängstlich. Hastig stellte sie die Blechschale zurück auf den Waschtisch und eilte mit wild pochendem Herzen zu seiner Tür.
    »Was ist denn, Vater? Was …«

    Er hatte sich halb auf den Ellbogen aufgestützt, eine Faust an den Bauch gepresst. »Hol Christopher«, stieß er mühsam hervor.
    »Es ist noch sehr früh, Vater. Er schläft gewiss noch. Ich wollte warten und ihn dann zum Frühstück zu uns …«
    »Hol ihn!« Jetzt klang Lorcan verzweifelt. »Hol ihn einfach! Bitte!«
    Sie rannte in den Geheimgang und die kurze Strecke bis zu Christophers Kammer. Am liebsten hätte sie ungestüm gegen die Holztafel gehämmert, doch sie beherrschte sich und kratzte nur leise daran.
    Er schläft gewiss noch . Sie musste an Razis beharrliches und nachdrückliches Klopfen gestern denken. Ich werde ihn niemals wach bekommen . Doch zu ihrer Überraschung hörte sie ein leises Geräusch hinter dem Holz und wagte ein leises Rufen. »Christopher? Hier ist Wynter. Mein Vater braucht dich!«
    Die Tür glitt zur Seite, schwacher Kerzenschein erfüllte die Dunkelheit. Christopher war voll bekleidet, roch nach Seife und Zahnpulver. Das weiche Licht beschien ihn von hinten – ein markanter, schlanker Schatten. »Was ist denn?«, fragte er voller Besorgnis. »Geht es ihm nicht gut?«
    »Ich weiß es nicht«, gab sie zurück. »Er will es mir nicht sagen, nur dir!«
    Die Hand auf ihrem Rücken, schob er sie vor sich her durch den dunklen Gang. Als sie in die Kammer kamen, bedeutete Lorcan Wynter, in der Tür zu bleiben. Christopher eilte zu ihm und beugte sich hinab.
    Lorcan flüsterte ihm etwas ins Ohr, seine Augen flackerten immer wieder zu Wynter. Christophers Gesicht konnte man hinter den langen Haaren nicht erkennen, doch er nickte und antwortete leise und besänftigend. Dann richtete er sich wieder auf, und Lorcan hielt sein Handgelenk fest. Er murmelte
noch etwas, seine Miene drückte eine schmerzliche Entschuldigung aus.
    Erneut bückte sich Christopher, legte seine freie Hand auf Lorcans und drückte sie. »Mein Freund«, sagte er gedämpft, »ich wäre Euch böse gewesen, wenn Ihr mich nicht gerufen hättet. Bitte sprecht nicht mehr davon.«
    Damit trat er zu Wynter und steuerte sie am Ellbogen aus dem Raum.
    »Braucht er Razi?«, fragte sie, den Tränen nah.
    »Nein«, gab er sanft zurück. »Dein Vater braucht nur etwas Unterstützung, einen starken Arm, auf den er sich stützen kann.« Er sah ihr in die Augen, als er langsam die Tür vor ihrer Nase schloss. »Geh schon mal Frühstück holen«, sagte er.
    Und schon stand sie draußen in der Dunkelheit, während Christopher ihrem Vater die Hilfe gewährte, die Lorcan ihr niemals zu leisten gestatten würde.
     
     
     
    Zu Wynters Erschütterung ohrfeigte Marni sie. Ein heftiger, wütender Schlag, der sie straucheln ließ und rückwärts gegen einen Tisch voller Holzbecher schleuderte, so dass sie mitsamt der ganzen Ladung krachend zu Boden stürzte. Dort lag sie dann, die Arme über dem Kopf, die Ohren klingelnd. Gefäße hüpften und klapperten und kullerten in alle Richtungen davon. Marni selbst stand regungslos in einer Ecke ihrer Vorratskammer, die kleinen blauen Augen rund, den großen Mund entsetzt aufgerissen.
    Wynter war fassungslos. Zwar hatte Jonathon die Jungen oft seinen Jähzorn spüren lassen, und auch Marni teilte leicht mal einen Klaps auf den Hintern aus, doch Wynter war als Kind nie geschlagen worden. Die Attacke der massigen Frau
hatte sie zutiefst getroffen, verstört und wie gelähmt wartete sie auf den nächsten Schlag.
    Als Marni schließlich aus ihrer Ecke kam und

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