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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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sah Wynter den König auf sich zukommen. Doch er ging einfach an ihr vorbei und entriegelte ohne ein weiteres Wort die Tür. Schon hatte er einen Fuß über die Schwelle gesetzt, als Lorcan ihn rief.
    »Jon!«
    Der König hielt inne und horchte. Wieder hörte man lange nichts, dann sagte Lorcan still: »Komm wieder herein.«
    Jonathon gehorchte und schob den Riegel wieder vor. Auf dem Weg hob er einen der schweren runden Sessel auf und trug ihn in Lorcans Kammer.
    Wynter blieb in der Tür stehen und beäugte den König,
wie er ungeschickt den Sessel vor Lorcan abstellte und sich setzte. Sie sah fragend ihren Vater an und wartete auf Anweisungen. Er saß zusammengesunken mit finsterer Miene in seinem Stuhl, hatte sich die Tränen vom Gesicht gewischt und sein unordentliches Haar auf den Rücken geworfen; in seinem Blick lag nichts Weiches. An Wynter gewandt sagte er: »Komm herein. Setz dich.«
    Nicht besonders erfreut sah Jonathon sie über seine massige Schulter hinweg an, erhob aber keine Einwände, als sie eintrat und sich am Fußende des Bettes auf die Kante setzte.
    »Ich habe noch nicht gegessen, Vater«, sagte sie. »Später muss ich vielleicht noch einmal in die Küche gehen und etwas holen.«
    Lorcan begegnete ihrem Blick und verstand: Sie hatte Dinge zu erledigen – Dinge, die vermutlich mit ihrer verfrühten Abreise zu tun hatten. Er nickte. »Wann immer du Hunger verspürst, mein Kind, geh nur. Ansonsten bleib, solange du willst.«
    »Danke, Vater.«
    Nun wandte Lorcan seine volle Aufmerksamkeit dem König zu, die Züge erneut verhärtet. Einen Moment lang sahen die beiden Männer einander schweigend über die Überbleibsel ihrer brüchigen Freundschaft hinweg an.
    Lorcans Gesicht blieb steinern, und Jonathon wandte sich als Erster ab. Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf, starrte ins Feuer, als überlegte er. Zögerlich steckte er die Hand unter sein Hemd und zog ein gefaltetes Blatt hervor. Er umklammerte es kurz, als wollte er sich nicht davon trennen, dann beugte er sich vor und streckte es Lorcan entgegen.
    Lorcan betrachtete das Papier, als könnte es ihn beißen, weswegen Jonathon es seinem alten Freund ungeduldig aufzudrängen
versuchte. »Herrgott nochmal«, knurrte er schließlich. »Jetzt nimm das blöde Ding schon!«
    Unwillig gehorchte Lorcan. Er faltete das Blatt auf und überflog den Inhalt. Wynter sah seine Züge zusammenfallen; er las die Zeilen erneut und noch einmal und dann ein letztes Mal. Schließlich senkte er den Bogen und richtete den Blick ins Leere. Als er Jonathon wieder ansah, musterte er ihn mit neu erwachtem Argwohn.
    Ehrlich betroffen stöhnte der König auf und hielt die Hände hoch, als wollte er eine unausgesprochene Anschuldigung abwehren. »Ach, Bruder …« Er wandte die Augen ab. »Diesen Blick habe ich wirklich verdient. Doch hab Nachsicht mit mir, ich bitte dich. Ich schwöre dir, dass keine Forderungen damit verknüpft sind. Es gehört dir. Es gehört alles dir. Zu spät, ich weiß, aber ich wünsche dir alle erdenkliche Freude, die noch davon geblieben sein mag.«
    Wynter konnte die Auswirkungen des Alkohols in Jonathons Stimme hören, und das beunruhigte sie. Betrunkene Männer waren immer so unberechenbar und seltsam. Besorgt über Lorcans Gesichtsausdruck glitt sie von der Bettkante. Sie beobachtete die Gefühlsverwirrung in seiner Miene und wusste nicht, ob er weinen, schreien oder sich aufbäumen und Jonathon niederschlagen wollte. Sein Atem ging eine Spur zu rasch, die Wangen brannten hellrot. Endlich streckte Lorcan ihr – die Augen unverwandt auf den König gerichtet und heftig mit dem Kiefer mahlend – das Schreiben hin. Der Schein des Feuers beleuchtete es flüchtig, schattenhaft konnte sie Jonathons flüssige Handschrift erkennen.
    Sie nahm es entgegen. Natürlich war es ihres Vaters Konzession. Gezeichnet, mit Siegel versehen, alles entsprechend der strengen Verordnung. Bewilligt – umsonst und aus freien Stücken -, doch aus welchem Grund, wusste sie nicht zu sagen.
Sie las die Urkunde durch, das Papier bebte in ihrer Hand. Dann hob sie den Kopf, um Jonathon anzusehen, der immer noch das Gesicht abgewandt hatte.
    »Wir danken Eurer Majestät«, zischte sie, »für Eure Güte und Großzügigkeit. Was für ein Jammer, dass Ihr es nicht übers Herz brachtet, ihm diese Konzession anzuvertrauen, bevor Ihr ihn zugrunde richtetet.«
    »Bedeutet das, Jonathon, du willst, dass ich gehe?« Lorcans Stimme war kaum mehr als ein trockenes

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