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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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streng. »Es ist viel zu spät für einen Besuch.«
    Razi war ihr gefolgt und stand horchend im Gemeinschaftsraum. Beide schraken zusammen, als die vertraute Stimme des Königs ertönte.
    »Öffnet die Tür, Protektorin Moorehawke. Ich möchte mit deinem Vater sprechen.« Jonathon klang leise, offenbar hatte er das Gesicht dicht an die Tür gedrückt.
    Nein! Bestürzt drehte sich Wynter zu Razi um, der vorn übergebeugt und völlig verzweifelt dort stand. Nein! Nein, nein. Blieb ihm nun sogar das noch versagt? Sein letzter Abend. Sein Abschied. Er taumelte zurück in Lorcans Kammer. Er sah aus, als hätte ihn ein Pferd getreten.
    Einen Augenblick lang geriet Wynter in Panik. Wie sollte sie den König abweisen? »Ich … Einen Moment, Eure Majestät. Ich bin … nicht angezogen.«

    »Mach schnell!«
    Sie rannte in Lorcans Kammer. Razi war zu seinen Füßen auf die Knie gefallen, hatte ihm die Arme um die Taille geschlungen und den Kopf an seiner Brust vergraben. Der ältere Mann strich ihm über das Haar, die Wange auf seinen Scheitel gelegt.
    »Schsch«, machte Lorcan hilflos. »Schschsch …«
    Wieder klopfte der König, jetzt mit Nachdruck.
    »Razi«, rief Wynter leise. Sie spürte die Tränen nass und heiß auf den Wangen, als sie Razi aus Lorcans Armen zu ziehen versuchte. »Razi!«, flehte sie. »Bitte!« Erst da bemerkte sie, dass auch Lorcan festhielt, dass er Razi nicht gehen lassen wollte. Sie gab auf. Von hinten warf sie sich auf Razi und presste ihre Wange an seinen bebenden Rücken.
    Völlig unvermittelt löste sich Razi von ihnen. Er schüttelte sich buchstäblich mit einem heftigen Ruck aus ihrer Umarmung heraus und sprang auf die Füße, das tränenüberströmte Gesicht glänzend im Feuerschein. Ohne weiter zu zögern, wandte er sich zur Tür, doch noch ehe er die Schwelle überschritten hatte, klopfte Jonathon erneut. Razi wirbelte mit wütend funkelnden Augen und geballten Fäusten herum. Noch nie hatte Wynter solchen Hass in seiner Miene gesehen.
    »Razi«, zischte Lorcan.
    Sofort drehte er sich um, breitete hilflos die Arme aus und sah ihn verloren an.
    Das war das Letzte, was Lorcan von ihm sah. Er war fort.

Es gibt kein Zurück
    A ls Wynter den Riegel zurückgeschoben hatte, schlüpfte
    Jonathon herein und schloss die Tür sorgsam hinter sich. Er musterte Wynter von Kopf bis Fuß und runzelte angesichts ihres zerzausten Haars und der geschwollenen Augen die Stirn. Er roch stark nach Wein, und Wynter trat einen Schritt zurück. Betrunkenen brachte sie ausgeprägtes Misstrauen entgegen.
    Doch der König war lediglich etwas wackelig auf den Beinen, und seine Augen – wenn auch rot und schwer – blickten wach. Leicht schwankend stand er dort und spähte an ihr vorbei. »Ist er wach?«, fragte er leise.
    Wynter nickte, hielt aber Abstand zu ihm. Was zum Teufel willst du? , dachte sie. Ausgerechnet heute Abend – konntest du uns nicht einfach in Ruhe lassen?
    Einen Moment lang wirkte Jonathon unentschlossen, er stieß ein tiefes Seufzen aus. Dann fuhr er sich mit einer Geste durchs Haar, die Wynter so stark an Razi erinnerte, dass sie zusammenzuckte. Sie hatte Ungeduld erwartet, da man ihn warten ließ, oder Zorn, da sie sich ganz offensichtlich nicht angekleidet hatte. Doch Jonathon machte einen so zaghaften, so verunsicherten Eindruck, dass sie nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte. Plötzlich schien er sich zu fangen und tätschelte Wynter zu ihrer Verblüffung die Schulter, bevor er
in den Gemeinschaftsraum ging und den Kopf in Lorcans Kammer steckte.
    »Lorcan.« Er verharrte auf der Schwelle, die Hand auf den Türsturz gelegt.
    »Was willst du?«, hörte man Lorcan kalt und deutlich krächzen.
    Jonathon ließ den Kopf hängen, der Schein des Feuers umkränzte ihn golden. »Gestatte mir, einzutreten, Bruder. Ich möchte mit dir sprechen.«
    Das dem Klang nach aufrichtige Bitten in seiner Stimme machte Wynter misstrauisch. Bedeutet das, dachte sie, du würdest tatsächlich wieder gehen, wenn Vater dir den Wunsch verweigerte?
    Vielleicht dachte Lorcan über dieselbe Frage nach, denn es folgte ein langes, düsteres Schweigen, während der König an der Tür verharrte. Endlich sagte ihr Vater: »Ich bin müde, Majestät. Ein anderes Mal vielleicht.«
    Der König richtete sich auf und starrte Lorcan an. Wynter hielt den Atem an, sie wartete auf den Ausbruch, rechnete mit Jähzorn. Doch Jonathon blieb einfach nur reglos stehen, dann senkte er den Kopf und drehte sich um.
    Steif und ängstlich

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