Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
Vom Netzwerk:
doch der Geist ließ den Kopf kreisen und sträubte sich, Blutspuren strömten über sein gemartertes Gesicht wie Tränen. »Wie lautet dein Name?« Wynter gab nicht auf, obwohl sie nicht genau wusste, warum sie das erfahren musste. »Sag ihn mir, dann kann ich Mary deine Nachricht überbringen.«
    »Mary!«
    »Ja! Sag mir, wie du heißt. Sag mir, wie ich Mary eine Nachricht überbringen kann. Wo ist sie? Ist sie im Lager? Ist sie bei Seiner königlichen Hoheit? Im Lager?«
    »Im Lager … Ja … sie ist im Lager. Sie ist bei den anderen. Mary …«
    Das Beben war nun überall um sie herum, ließ Wynter die Haare auf den Armen und im Nacken zu Berge stehen, summte in ihren Ohren, kribbelte an ihren Zahnwurzeln. Das Klagen draußen vor den Mauern war in den Raum eingedrungen. Kleine Rinnsale und Funken eines geisterhaften Leuchtens umrandeten die einzelnen Steine der Wände. Der Geist auf dem Stuhl keuchte und begann zu zittern, seine Fersen und die Oberseiten seiner gebrochenen Hände trommelten gegen das Holz des Folterstuhls.
    Wynter zwang sich, weiterhin sanft zu sprechen. Sie wollte nicht klingen wie ein Inquisitor, wenn auch der Drang zu brüllen, ihn zu packen und zu schütteln beinahe übermächtig wurde. »Sag mir, wo sie ist, und ich verspreche dir, dass sie deine …«
    »Sie ist im Lager …«
    »In welchem? Es gibt so viele … In welchem Lager ist Mary?«
    Er versuchte, ihr das Gesicht zuzuwenden, doch inzwischen zuckte und zitterte er so heftig, dass sein Hinterkopf rhythmisch gegen den Stuhl schlug. »Indirie-Tal … Im …
Indirie-Tal … Bei Oliver … und den Comberern … Sie … aaaaah …« Die Worte verloren sich in einem sprudelnden Gurgeln, und sein Mund floss über vor schwarzem, glitzerndem Blut. Wynter schreckte zurück.
    Das Leuchten hatte sich nun im gesamten Raum ausgebreitet. Es tauchte die Mauern in ein schimmerndes, geisterhaftes Licht, trieb gierige Ranken über die Decke. Das Klagen war zu Schlachtenlärm angeschwollen. Rufe, Pferde, der unverkennbare Klang abgefeuerter Musketen – jedoch so schnell, so unfassbar schnell, dass es wie Feuerwerk am Horizont klang.
    Der Mann auf dem Stuhl bäumte sich erneut auf, stemmte sich gegen die Fesseln, die es nicht mehr gab, wölbte sich wie ein Langbogen, nur noch an Kopf und Fersen mit dem schwarzen Stuhl in Berührung. »MARY!«, schrie er. »Sag … Mary!« Bei jedem Wort spritzte ihm Blut von den Lippen. Der Geruch nach Schießpulver und Rauch, nach brennendem Fleisch und Blut war unerträglich.
    Hastig holte Wynter die Kerze vom Tisch und taumelte rückwärts, die Hand über den Mund gelegt. Indirie-Tal, wiederholte sie. Indirie-Tal. Nicht vergessen …
    Da kam Rory Shearing durch die hintere Wand gelaufen. Er stolperte auf sie zu, hielt sich den Bauch, das Gesicht schmerzverzerrt. Sein Mund stand in einem stillen Schrei weit offen, und er scheuchte sie mit der Hand fort. Lauf! LAUF!
    Der leuchtende Dunst stieg von der Mauer hinter ihm auf, erfüllte die Kammer vom Boden bis zur Decke mit einer undurchdringlichen, wirbelnden Masse. Er wälzte sich in einer trägen Welle durch den Raum und brachte den Gestank von Schießpulver und das schwere, unablässige Abfeuern von Musketen mit sich. Rory lief davor weg, doch er war schwach
und ungelenk, so dass er von der Woge erfasst und hochgehoben wurde. Mit einem Schmerzensgeheul fiel sein Kopf in den Nacken, Arme und Beine flogen hilflos durch die Luft. Rory trieb, alle viere von sich gestreckt, auf der glänzenden Flut wie ein Mann, der in einem Fluss aus Qualen schwimmt. Die Welle dehnte ihn über sich hinweg, umhüllte ihn mit tanzendem grünem Licht. Und dann musste Wynter mit ansehen, wie sie Rory Shearing langsam zerriss.
    »Nein!«, rief sie. »Rory!«
    Doch Rory war fort, zerstört von der leuchtenden Masse des voranschreitenden Lichts; sein verzweifelter Schrei verebbte rasch im anschwellenden Schlachtenlärm.
    Immer weiter kroch das Leuchten, wanderte mit blitzenden Fingern über den schwarzen Stuhl, fand die Umrisse des Gefolterten. Der Mann schrie vor Angst auf, als grünes Hexenlicht in seine Augenhöhlen floss und über seine Lippen funkelte. Schon wurde er aus seinem Kerker emporgehoben und hoch in die Luft getragen; er wandte den Kopf noch einmal Wynter zu, die immer weiter zurückwich.
    »Sag ihr …«, heulte er. »Sag Mary … dass Isaac treu war. Sag ihr …« Dann wurde auch er über die Oberfläche der grün leuchtenden Flut gezogen und langsam, Glied für Glied, in

Weitere Kostenlose Bücher