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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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kühler. Wynter schlüpfte aus dem Geheimgang, hielt sich aber weiterhin am Türrahmen fest. Sie war vollkommen blind. Den Rücken gegen die Mauer gepresst, strich sie mit den Händen über die Steine zu beiden Seiten und hob die Arme, um nach der niedrig hängenden Decke eines unterirdischen Stollens zu tasten.
    Sie wusste sofort, wo sie waren: Das war der enge Gang, in dem sie die Befragung des Mörders durch die Inquisitoren gehört hatte. Sie erstarrte und horchte angestrengt, in Erwartung gespenstischer Schreie. Doch da war nichts – nur ihr eigener keuchender Atem und das wilde Pochen ihres Herzens.
    Die Dunkelheit war ein gutes Zeichen; sie bedeutete, dass keine Fackeln brannten, und keine Fackeln bedeuteten, dass niemand da war. Kein Mensch zumindest. Erneut horchte Wynter in die Finsternis. Sie hätte gern den Atem angehalten, um besser hören zu können, doch sie war zu verängstigt und konnte ihr banges Keuchen nicht unterdrücken. Auf dem Weg durch die Geheimgänge hatte sie sich plötzlich gefragt,
ob die Geister der Inquisitoren möglicherweise noch hier wären – darauf erpicht, Schmerz zuzufügen. Bei der Vorstellung wurden Wynters Knie so weich, dass sie sich an der Steinmauer festklammern musste.
    Geister tun Menschen gewöhnlich nichts zuleide, dachte sie fieberhaft. Geister tun Menschen gewöhnlich nichts zuleide … Christophers trockene Entgegnung darauf fiel ihr wieder ein, klar und vernehmlich in der Schwärze: Sag das doch dem rohen Fleisch, das wir vor ein paar Tagen im Kerker zurückgelassen haben . Sie kniff die Augen zusammen. Ach, halt den Mund, Christopher. Geister tun Menschen gewöhnlich nichts zuleide. Sie …
    Die Katze zischte und wand sich ungeduldig auf ihrer Schulter. »Möchtest du erst ein Nickerchen halten, Mädchen? Soll ich mir einen Happen zu essen besorgen und später wieder nach dir sehen?«
    Der nörgelnde Spott in ihrer Stimme zwang Wynter, die Zähne zusammenzubeißen. Mit einem tiefen, ruhigen Atemzug stieß sie sich von der Mauer ab. Vorsichtig ging sie auf die Knie, tastete nach der Zunderbüchse und nestelte die Kerze aus ihrem Beutel. Leise brummend sprang die Katze von ihrer Schulter. Das plötzlich fehlende Gewicht erschreckte Wynter; sie erstarrte und musste ein ängstliches Wimmern unterdrücken. Hatte das Tier sie wieder allein gelassen? Sie horchte in die Dunkelheit und strengte vergebens ihre Augen an, die halb geöffnete Zunderbüchse in Händen. Kein Laut deutete darauf hin, dass die Katze noch in der Nähe war. Sie war fort.
    Wynter verzog verbittert den Mund. Zum Teufel mit dem verfluchten Geschöpf, sie würde ihr gewiss nicht die Genugtuung gönnen, nach ihr zu rufen. Wütend wandte sie sich wieder ihrer Aufgabe zu und schlug blind den Feuerstein über der Zunderbüchse an. Der Funke erhellte den Gang um sie
herum wie ein Blitz, sprang aber nicht auf den Zunder über. Wynter biss sich auf die Lippe und versuchte es wieder und wieder. Die Lichtblitze hinterließen helle Narben tief hinter ihren Augen, und sie blinzelte heftig, um die roten Spuren aus ihrem Sichtfeld zu vertreiben. Jetzt mach schon, dachte sie. Bitte .
    Der nächste Funke zündete, und Wynter beugte sich hinunter und blies sanft in die Flamme, bis das kleine Häufchen Holzspäne aufloderte. Mit zitternden Händen steckte sie die Kerze an und hob sie hoch über den Kopf, um sich nicht selbst zu blenden. Gemeinsam mit dem rasch verglühenden Zunderhäufchen warf die Kerze einen flackernden Lichtkreis.
    Zu ihrer Erleichterung und Wut stand die Katze nur wenige Schritt von ihr entfernt und beäugte sie mit unverhohlener Geringschätzung.
    »Ehrlich wahr«, zischte sie und entblößte dabei ihre nadelspitzen Zähne. »Ihr Menschen! Völlig hilflos ohne eure Requisiten.« Verächtlich schüttelte sie den Kopf und schlenderte in die Dunkelheit davon.
    Wynter verbiss sich eine Bemerkung, packte ihre Sachen zusammen und trat die kargen Überreste des kleinen Feuers aus. Dann hob sie die Kerze noch höher und folgte dem überheblich wedelnden Hinterteil der Katze zum Fuß des Stollens.
    Beide blieben an den oberen Stufen stehen und betrachteten unsicher die darunterliegende Tür zur Folterkammer. Die Luft schien sich unter dem flackernden Schein der Kerze zu winden.
    »Ich warte hier auf dich«, murmelte die Katze ungewöhnlich leise. »Was auch immer du im Schwarzen Raum zu suchen hast, es … es geht mich nichts an.« Damit setzte sie sich steif auf die Steinplatten, den Blick unverwandt in

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