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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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nicht länger warten lassen.« Er warf Wynter einen flüchtigen Blick zu. »Ich komme zurück, wenn der König mich entlässt, Kind. Geh dich baden und umziehen und ausruhen, heute Abend bei Sonnenuntergang findet ein Bankett statt.«
    Damit war er fort, seine Reitstiefel klapperten auf den Steinstufen, der Zopf schwang schwer auf seinem Rücken hin und her. Der Geruch nach Pferd und Lagerfeuer und der beschwerlichen Reise hing noch lange, nachdem er um die Biegung verschwunden war, in der Luft.

    Ungeduldig zog Heron eine Augenbraue hoch und sah Razi an, der wiederum Wynter einen hilflosen Blick zuwarf. Schon im Gehen, nickte er Christopher bedeutungsvoll zu: Pass auf sie auf . Christopher senkte zustimmend den Kopf, und Wynter kämpfte gegen den inneren Drang an, ihn die Treppe hinunterzustoßen. Pass auf sie auf – mit Verlaub! Pass auf Christopher auf, wäre wohl passender. Er war doch derjenige, der Gefahr lief, auf dem Weg zum Abtritt die Kehle aufgeschlitzt zu bekommen.
    Heron verweilte noch einen Augenblick, schon halb abgewandt. »Garron«, schnarrte er. »Die Hohe Protektorin Wynter und der Hohe Protektor Moorehawke sind in den Gemächern neben denen Eures Herrn untergebracht. Sorgt dafür, dass die Hohe Protektorin alles zu ihrer Bequemlichkeit vorfindet.«
    Zur Antwort reckte Christopher das Kinn, und Herons Augen blitzten auf. Du hast dich zu verbeugen, du Tölpel , dachte Wynter. Doch der Kämmerer verkniff sich eine Bemerkung; er verzog nur höhnisch den Mund und folgte Razi und ihrem Vater die Stufen hinauf. Bald war er nicht mehr zu sehen, und sie und Christopher waren allein.
     
     
     
    Wynter holte ihr Werkzeug aus Marnis Obhut und marschierte ohne ein weiteres Wort zu den Ställen. Neben ihr trottete Christopher, erstaunlich schweigsam. Sie hatte mit lästigem Geplauder gerechnet, mit Versuchen, sie aus der Reserve zu locken, mit Avancen. Doch er hielt einfach nur mit ihr Schritt, den Blick der grauen Augen nach innen gewandt.
    Als sie bei den Stallungen ankamen, verschwand er kurz und kehrte dann mit zwei Pagen zurück, denen er so umsichtig
und freundlich Anweisungen erteilte, dass Wynters und Lorcans Habseligkeiten bald zusammengetragen und in ihre neuen Gemächer gebracht wurden. Endlich hatte sie wieder eine dauerhafte Unterkunft! So dauerhaft zumindest, wie es das Leben am Hofe gestattete.
    Nun stand sie im vordersten Zimmer ihres neuen Quartiers und sah sich bedrückt um. Die Gemächer waren vortrefflich: Der große Vorraum zum Empfangen von Gästen besaß zwei mit Läden versehene Fenster, die einen Blick auf den Orangenhain gewährten. Die Wände waren hell gestrichen und mit fröhlichen Wandteppichen geschmückt – eine Leihgabe aus der Sammlung des Königs. Dahinter lag ein kleiner Gemeinschaftsraum, von dem wiederum zwei luftige und geräumige Schlafkammern abgingen, beide zu dieser Tageszeit von herrlichem Abendlicht erfüllt. Mit einer gewissen Genugtuung stellte Wynter fest, dass der König die Räume mit den alten Möbeln aus ihrer früheren Unterkunft ausgestattet hatte: ihrem Bett aus Kiefernholz mit dem Insektennetz, den hübschen Vorhängen, dem Waschtisch, der Truhe für das Bettzeug, die ihr Vater geschnitzt hatte. Auch Lorcans Schlafmöbel waren hier, und sogar die vier runden Sessel mit den Polstern, die ihre Mutter während ihrer Zeit im Kindbett bestickt hatte. Alles so vertraut und schön.
    Aber warum hier? , dachte sie. Warum nicht in ihrer geliebten alten Kate auf der Wiese unten am Forellenbach, im Schatten der Walnussbäume? Wo sie in seliger Abgeschiedenheit von den Verwicklungen des Palastlebens ihre Tage verbracht hatten, dem Blick des Königs entzogen. Wo Wynter morgens nach dem Aufstehen im Fluss Fische für das Frühstück geangelt hatte, noch barfuß und in langen Unterhosen. Wo den ganzen Tag der würzige Duft von Sägespänen und Harz aus der Werkstatt ihres Vaters in der Luft gelegen
hatte. Stattdessen gab es jetzt nur noch höfisches Zeremoniell, Politik und Etikette, jede Sekunde, jeden Tag. Offenbar wollte der König sie in der Nähe haben, wollte sie unter Beobachtung halten. Er traute ihnen nicht.
    »Gefällt dir das Quartier nicht?«
    Christophers ruhige Stimme riss sie aus ihren Grübeleien. Schneller, als gut für sie war, drehte sie sich um und taumelte, weil ihr schwindlig wurde; er lehnte im Türrahmen und war so höflich, dem keine Beachtung zu schenken.
    »Es ist sehr schön.« Sie fing sich wieder und hoffte, aufrichtig zu klingen.

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