Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
Vom Netzwerk:
vor dem Zubettgehen eingeflößt hatte – sie konnte seine Klauen immer noch in Armen und Beinen spüren. Der Schlaf saugte wie ein schwarzer Fluss an ihrem Verstand.
    »Ich …« Sie räusperte sich, lechzte nach Wasser. »Ich komme!«, stieß sie endlich heiser hervor und lief aus ihrer Schlafkammer.

    Auf dem Weg durch den Gemeinschaftsraum hörte sie Lorcans Riegel zurückschlagen und war verblüfft, ihn durch die Tür taumeln zu sehen – zerzaust und wirr, mit bloßen Fü ßen und in langen Unterhosen, das Nachthemd bis zum Bauch offen stehend. Er hatte ebenfalls verschlafen! Der Herr und Meister aller Frühaufsteher!
    »Was …« Er blickte sich um wie ein verdutzter Bär.
    Da öffnete Wynter bereits die Tür zum Gang. Vor ihr stand ein erboster Höfling, der angesichts ihres Hemds und der Nachthaube die Arme ausbreitete. »Wir haben das sechste Viertel der Schatten!«, schimpfte er aufgebracht. Hinter ihm versteckte sich ein kleiner Page mit einem Tablett. Er schielte um die Beine des Mannes herum zu Wynter.
    Lorcan fluchte heftig hinter ihr und sprach besorgt den Höfling an. »Hat er die ganze Zeit hier gewartet?«
    Der Höfling musterte ihn von Kopf bis Fuß und verzog die Lippe mit kaum verhohlener Verachtung, nur einen Hauch von gefährlicher Dreistigkeit entfernt. »Seine Majestät hat Wichtigeres zu tun, als auf Euch zu warten, Hoher Protektor Moorehawke. Ihr möget Euch sputen – er wird Euch empfangen, sobald er Zeit hat.« Ein weiterer eisiger Blick, dann drehte sich der Mann schwungvoll auf dem Absatz um und ging.
    Lorcan riss die Hände hoch, raufte sich die ungekämmten Haare und sah sich aufgelöst im Zimmer um. »Gottver flucht . Gottver flucht … Wo sind nur meine verwünschten Stiefel?«
    Da erhob der kleine Page zaghaft die Stimme und reckte Wynter das Tablett entgegen. »Mit den besten Grüßen von Fürst Razi, ein Frühstück. Jetzt ist aber alles kalt.«
    Wynter nahm ihm die Speisen ab. »Ich danke dir.« Neben der Tür lag ein säuberlich gefalteter Stapel Kleider, der aus der Wäscherei gebracht worden war. »Würdest du mir das hereintragen, kleiner Mann?«

    Der Page tat, wie ihm geheißen. Er wirkte noch sehr jung und unschuldig, doch als Wynter ihn nach dem Befinden des Fürsten Razi fragte, sah er sie nur ernst und höfisch-wachsam an, ohne zu antworten. Traurig lächelte sie ihn an und entließ ihn mit einem Kopfnicken. Er nahm das unangetastete Essen des vorangegangenen Abends mit, und Wynter stellte das neue Tablett auf den Tisch. Plötzlich merkte sie, dass sie halb verhungert war.
    Lorcan stürmte aus seinem Zimmer herein, einen Stiefel in der Hand. »Was machst du da?«, donnerte er. »Zieh dich an!«
    »Setz dich hin und iss etwas, Vater. Razi hat gesagt …«
    »Wynter! Zieh dir deine Arbeitskleidung an, Jonathon wartet . Er wartet seit Stunden!«
    Er war rot im Gesicht. Am liebsten hätte Wynter ihn gepackt und ihm befohlen, sich zu beruhigen, bevor er wieder zusammenbrach. Stattdessen setzte sie sich seelenruhig hin und strich Butter auf einen Wecken, als hätten sie alle Zeit der Welt. Der Wecken war schwer und frisch, mit reichlich Rosinen darin. Plötzlich konnte Lorcan den Blick nicht davon abwenden.
    »Vater, der König wartet nicht. Das weißt du. Er ist längst fortgegangen, wer weiß, wohin. Was ihr beide zu besprechen habt, spielt keine Rolle – er wird dich jetzt stundenlang mit Nichtachtung strafen, nur um dir zu zeigen, wer der Herr im Hause ist. Iss etwas. Razi hat gesagt, du musst ordentlich essen.«
    Wieder wurde Lorcans Blick von dem Tablett angezogen. Beim Anblick des Kaffees, den er fünf lange Jahre nicht einmal gerochen hatte, musste er schlucken. Wynter hatte Sahne und Zucker eingerührt und goss nun zwei große Schalen damit voll. Betont langsam schob sie eine davon auf seine Seite
des Tisches und nahm dann einen großen Schluck aus der anderen. Lorcan betrachtete den Kaffee, dann das locker gebackene Brot, die würzigen Lammwürstchen, die gekochten Eier mit Salz, das aufgeschnittene, frische Obst. Wieder schluckte er, und Wynter konnte beinahe hören, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief.
    »Nur einen Happen«, gab er nach, ließ den Stiefel fallen und setzte sich.
    So machten sie sich über das Essen her, kauten schweigend, gleichmäßig und voller Glück. Am Ende waren nur mehr Krümel und eine halbe Schale sahniger Kaffee übrig.
    Mit einem zufriedenen Seufzen schob Lorcan seinen Stuhl zurück. »Gott«, brummte er, »das war

Weitere Kostenlose Bücher