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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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lachte erneut leise auf. »Da saß ich friedlich und wollte Fliegen angeln …«.
    »Fliegen?«
    »Ganz genau.« Christopher unterbrach sein Streicheln nicht. »Sag bloß, du hast noch nie Fliegen geangelt?« Der Kleine schüttelte den Kopf, trotz aller Anstrengung fielen ihm die Augen wieder zu. »Aber«, fragte Christopher, »womit fütterst du denn deine Frösche?«
    Da sich der Junge nicht rührte, nahm Christopher vorsichtig die Hand von seiner Stirn und lauschte dem sanften Atem.
    Wynter stellte fest, dass sie unbedingt den Rest der Geschichte hören wollte. Nach allem, was heute Nacht geschehen war, sehnte sie sich nach Märchen über Frösche und Fliegen.
    Leise setzte sich Christopher auf und gluckste, als eine müde kleine Stimme murmelte: »Ich hab doch gar keine Frösche.«
    Daraufhin beugte er sich ganz tief über das Kind und flüsterte so leise, dass Razi und Wynter sich anstrengen mussten, um ihn zu verstehen: »Dann musst du dir schleunigst welche besorgen, Bürschlein. Das sind ganz hervorragende Gefährten.« Die Flammen warfen blaue und violette Lichtstrahlen auf sein schwarzes Haar und umrahmten sein Kinn golden.
    Razi und Wynter hielten sich an den Händen – als wären sie wieder Kinder und lauschten am Kamin in Jonathons Gemächern den abenteuerlichen Geschichten von Salvador Minare.
    »Wie geht denn Fliegen angeln?«, brummelte der Knabe.
    »Also …« Christophers vernarbte Hand lag seitlich auf dem kleinen Kopf. »Man taucht seine Finger in Honig und wartet. Dummerweise bin ich eingeschlafen, weißt du? Und als ich wieder aufwachte, machte sich gerade dieser verwünschte Bär mit meinen Fingern aus dem Staub. Ich natürlich sofort hinterher, und er hat auch alle außer den beiden mittleren wieder fallen gelassen. Der liebe Fürst Razi hat sie mir alle wieder angenäht, weil er so ein wunderbarer Arzt ist und ein ganz vortrefflicher Mensch.«
    Bei diesen Worten legte sich Razi eine Hand über die Augen.
    »Aber weißt du, was das Schlimmste daran war, kleiner Mäuserich?«
    »Mhmmmm?«
    »An den beiden Fingern steckten meine besten Ringe. Immer
wenn ich seither einen Bären sehe, folge ich ihm in seine Höhle und sehe nach, ob mein Schmuck dort ist.«
    Das Kind stieß ein entzückt angeekeltes Quieken aus. »Igitt! Du wühlst in Bärkacka!«
    »Dummerchen«, schalt ihn Christopher. »Ich nehme einen Stock.«
    Unvermittelt war der Junge wieder in tiefen Schlaf gesunken, wie es nur die Unschuldigen vermögen. Christopher streichelte ihm weiter mit dem Daumen über die Wange, das Gesicht immer noch hinter den Haaren verborgen, bis Razi zu ihm trat und ihm eine Hand auf die Schulter legte.
    »Komm schon«, sagte er rau. »Gehen wir zu Bett.«
    »Ich bleib noch ein wenig auf«, gab Christopher abwesend zurück, ohne den Kopf zu heben.
    »Das ist gefährlich«, warnte Wynter schroffer als beabsichtigt. Es war, als fühlten sie und Razi sich verpflichtet, Christophers Zärtlichkeit durch eiserne Grobheit auszugleichen.
    »Razi wird schon nichts passieren«, murmelte Christopher, die Augen immer noch auf das schlafende Kind gerichtet.
    »Für dich «, sagte Razi, die Schulter seines Freundes drückend. »Für dich ist es gefährlich.«
    »Bei Frith!« Wütend sprang Christopher auf die Füße und drängte sich mit gesenktem Kopf aus der Nische am Kamin an ihnen vorbei.
    Die Hähne begannen eben zu krähen, als sich die drei durch den Geheimgang auf den Rückweg in die beklemmende Behaglichkeit ihrer Betten machten.

Mortuus in vita
    E in Hämmern an der Tür riss Wynter aus tiefstem Schlaf. Auf der Fensterbank hockte ein Rabe, er krächzte laut und beäugte sie mit boshafter Gleichgültigkeit. Aus seinem Schnabel hing ein Streifen blutiges Fleisch, und auf dem hellen Holz des Simses erkannte sie Blutspuren.
    Käfige , dachte sie, noch nicht ganz aus dem Schlummer aufgetaucht. Galgen, Blut und Schmerz .
    Der Vogel breitete seine riesigen Flügel aus, und das Zimmer verdunkelte sich. Wieder krächzte er, stürzte sich vom Fensterbrett und schwang sich auf das Dach empor. Sein Schrei klang wie eine rostige Säge in knotigem Holz.
    Wynter stützte sich auf die Ellbogen. Die Schatten waren kurz, die Sonne stand hoch und heiß im Fenster. Es musste schon Mittag oder noch später sein, was bedeutete, sie hatte mehr als acht Stunden wie eine Tote geschlafen! Das Hämmern an der Tür wurde lauter. Mühsam befreite sie sich aus Laken und Insektennetz und verfluchte Razi für den bitteren Trank, den er ihr

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