Moorehawke 02 - Geisterpfade
nicht sicher , wenn Ihr zwei seid ganz allein im großen, leeren Lager. Ich
möchte nicht, dass Ihr macht einen Fehler. Ihr könntet gehen in ein falsches Zelt oder finden die falschen Dinge. Und werdet angeklagt als Spion.«
O mein Gott , dachte Wynter, o Gott . Razi tastete nach ihrer Hand.
»Keine Sorge, Tabiyb«, fuhr Sólmundr fort. »Ich passe auf. Hier an meinem Bett Ihr seid in Sicherheit. Ich spiele Schach mit Euch, bis die anderen kommen zurück aus dem Wald.« Ganz kurz verdüsterte sich seine Miene. »Ja, Tabiyb?«
Razi saß steif und reglos da, die Hand fest um Wynters Finger geschlossen. »Ja«, sagte er schließlich. »Ja, Sólmundr. Lass uns Schach spielen.«
Sehen
I hr seid immer noch am Zug«, sagte Razi sanft.
Sólmundr riss die Augen auf und leckte sich die Lippen. Sie hatten weniger als sieben Züge in zwei Stunden geschafft. Dennoch wehrte sich Sólmundr zäh gegen den Schlaf, schob seine Figuren ungeschickt mit zitternden, schweißnassen Fingern über das Brett.
Wynter saß an die Pelze von Sólmundrs Bett gelehnt, als Kopfstütze diente ein zusammengerolltes Fell, die Knie hatte sie angewinkelt, um den Schmerz im Rücken zu lindern. Sie vertrieb sich die Zeit damit, die auf das Zelt gemalten Umrisse zu betrachten und sich Sorgen um Christopher zu machen. Der Wind hatte stark aufgefrischt, er zerrte und zupfte an der ledernen Zeltwand und brachte die Stangen zum Ächzen.
»Ihr habt mich geschlagen, ich glaube«, röchelte Sólmundr, verschob einen Turm und ließ sich in sein Kissen zurückfallen.
Razi betrachtete das Spielbrett. »Hm«, sagte er. »Und dazu brauchte ich Euch nur mit Opium vollzustopfen und einen Teil Eurer Eingeweide zu entnehmen.« Zögernd ließ er die Hand über den Figuren schweben, dann zog er mit dem Springer und setzte sich mit durchtrieben fröhlicher Miene wieder zurück. »Ihr seid am Zug.«
Sólmundr beäugte Razi, dann das Brett. Misstrauisch runzelte er die Stirn. Es dauerte einen Moment, dann knurrte er und warf missmutig die Hand in die Luft. »Cac« , sagte er.
Razi gluckste.
In diesem Augenblick rief Hallvor draußen vor dem Zelt etwas, und die beiden Wächterinnen sprangen auf die Füße und eilten fort.
Mit einem Grunzen beugte sich Sólmundr vor, plötzlich schroff und abweisend. »Geht jetzt«, befahl er. »Ash wird Schlaf brauchen.« Er griff hinter sich, musste aber bei der Anstrengung vor Schmerz stöhnen, weshalb Razi Anstalten machte, ihm zu helfen. Doch er schob ihn von sich fort. »Nein«, sagte er. »Raus, raus.« Er legte sich einen Wasserschlauch auf den Schoß und zog ein kleines Päckchen neben dem Bett hervor. Als er es auswickelte, sah Wynter, dass es ein Stapel Haferküchlein war. Der Klang von Stimmen, die sich leise unterhielten, wehte von draußen heran.
»Sie sind zurück!«, rief Wynter und stand hastig auf.
Auch Razi erhob sich. Sólmundr bemerkte, dass er die Hand ans Schwert gelegt hatte.
»Macht Euch keine Sorgen«, sagte er. »Es besteht keine Gefahr für Eure Familie jetzt.« Die beiden Männer sahen einander an. »Ich schwöre, Tabiyb.«
Razi ließ den Schwertgriff wieder los und schob die Waffe zurück auf die Hüfte.
Sólmundr nickte und widmete sich wieder dem Auspacken seiner Haferküchlein. »Ich kümmere mich jetzt um Ash.« Er legte das Essen neben seinem Bett auf den Boden. »Úlfnaor bringt Embla in sein puballmór .« Angesichts der Miene, die Razi bei diesen Worten zog, musste Sólmundr kichern. »Er und Hallvor sorgen für sie«, ergänzte er beschwichtigend, woraufhin Razi errötete und den Kopf abwandte.
Dann wurde Sólmundr wieder ernst. Er gab Wynter drei der Haferkekse. »Ihr geht zu Coinín jetzt, Iseult«, sagte er.
»Was?«, fragte Wynter beunruhigt. »Warum? Was ist mit ihm?«
»Ihm geht es bald gut«, versicherte Sólmundr, schon wieder mit seinen eigenen Vorbereitungen beschäftigt. »Er braucht nur Schlaf. Gebt ihm zu essen, wenn er hungrig ist, und achtet darauf, dass er viel Wasser trinkt, tá go maith ?« Mühsam drehte sich Sólmundr zur Seite, eine Hand auf die Wunde gepresst, mit der anderen die Decke auf Ashkrs Seite des Bettes zurückschlagend. »Geht«, brummte er. »Na los.«
Mit grimmiger Miene wirbelte Razi herum, doch da tauchten lange Schatten vor dem Zelt auf, und noch ehe er und Wynter hinausschlüpfen konnten, wurde die Klappe geöffnet, und zwei Männer traten ein. Schlaff und kraftlos hing Ashkr zwischen ihnen, und die Männer drängten sich wortlos an Razi und
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