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Moorehawke 02 - Geisterpfade

Moorehawke 02 - Geisterpfade

Titel: Moorehawke 02 - Geisterpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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an und ließ ihre Hand fest auf seiner liegen. Langsam lehnte er sich zurück an den Baumstamm und sah – verbissen, doch ohne Widerspruch – zu, wie Wynter seinen Ärmel nach oben schob und mit den Fingern über das ordentliche weiße Band aus Narbengewebe strich, das von seinem fehlenden Finger bis hinauf in die Armbeuge führte. Es musste wirklich eine schwere Entzündung gewesen sein, wenn ein so langer Schnitt nötig gewesen war, um die Wundflüssigkeit abzuleiten.
    »Beinahe hätte ich sie verloren«, sagte Christopher still. »Wenn Razi nicht gewesen wäre …« Er ballte die Hand zur Faust und löste sie wieder.
    Wynter spürte seine Muskeln unter der Haut. Sie strich
über seinen sehnigen Unterarm und legte die Handfläche auf die warme Innenfläche seines Ellbogens.
    »Als es mir etwas besser ging, lag ich wochenlang im Bett und wünschte, ich würde sterben. Marcello glaubte, ich würde mich niemals erholen.«
    »Aber das hast du.«
    »Ja. Das habe ich.«
    Wynter versuchte, es sich auszumalen. Fragte sich, wie viel Kraft man brauchte, um sich nach einem solch furchtbaren Erlebnis wieder aufzurichten. Sie stellte fest, dass es ihr Vorstellungsvermögen überstieg.
    »Eines Tages«, sagte er, »stand ich einfach auf. Ich ging hinunter in die Stallungen und verbrannte alles.«
    Sie quetschte seinen Arm. »Was meinst du damit? Alles?«
    »Alles. Meine Gitarren. Meine Geigen. Die ganzen Instrumente, die wir über die Jahre gesammelt hatten. Die Flöten meines Vaters, seine Mandoline, den ganzen Kram. Ich verbrannte die Sachen, weil sie mir nie wieder etwas anderes als Schmerz einbringen würden. Glücklicherweise ging Marcello dazwischen, bevor ich auch die Truhe meines Vaters verbrennen konnte. Dafür bin ich ihm auf ewig dankbar; sie ist alles, was ich noch von ihm habe.« Er sah Wynter an. »Ursprünglich war sie nicht für Kleider gedacht, musst du wissen. Es war ein Instrumentenkasten, in den all unsere Sachen passten, mit lauter ordentlichen kleinen Fächern. Alles schön geschützt. Mein Vater hatte ihn nach seinem eigenen Entwurf anfertigen lassen.« Christophers Stimme wurde immer leiser. »Sie haben ihn mit mir zusammen verkauft«, sagte er. »Wir waren ein günstiges Angebot, der Kasten und ich.«
    »Christopher«, flüsterte sie. Seine Augen waren weit aufgerissen und hell, doch obwohl er sie direkt anschaute, war sie nicht sicher, was er wirklich sah.

    »Es war der Wunsch nach Rache, der mich aus diesem Bett trieb, Wynter. Mein Inneres war ein loderndes schwarzes Loch. Mit großer Anstrengung gewann ich allmählich meine Kraft zurück, um eines Tages in der Lage zu sein, die Hurensöhne zu töten, die meine Familie geraubt hatten, meine Hände und …« Er presste sich die Faust vor den Mund, die Augen weiter starr aufgerissen. »Sie hatten ja immer noch meine Mädchen, weißt du. Meine Mädchen – den Rest meiner Truppe.« Geistesabwesend berührte er seine Wange unmittelbar unter dem Auge. »Sie waren mir vorausgeschickt worden. Zu unserem neuen Herrn – bereits gebrandmarkt. Längst außerhalb meiner Reichweite. Jenseits sogar von Razis beträchtlichem Einfluss.« Er stockte. »Vielleicht sind sie ja immer noch dort, an diesem verwünschten Ort, ich weiß es nicht.«
    »An welchem Ort, Christopher?«
    »Dem Anwesen. André Le Garous Anwesen.«
    »André Le Garou?«, fragte Wynter nach. »Der Mann, den diese Wölfe ihren Vater nennen?«
    Christopher schwieg. Er war im Geiste ganz woanders, sah Dinge, die sie nicht sehen konnte. Dennoch ließ sie nicht locker und drückte vorsichtig seinen Arm.
    »Nennen sie so ihre Anführer … Vater? Und gelten sie alle als seine Söhne? Christopher?« Sie hielt den Kopf genau vor seine Nase. »Chris?«
    »Man sagt, dass Andrés Anwesen von Musik erfüllt ist«, erzählte er einfach weiter. »Tag und Nacht wird dort musiziert, denn André Le Garou liebt Musik.« Verächtlich verzog er den Mund. »Ja, er liebt Musik, und er liebt … liebt Frauen.« Er schluckte, sein Zorn verwandelte sich in Verzweiflung. »Frauen und Musik«, wiederholte er leise. »Sein Harem … sein verdammtes Bordell … ist vollgepackt mit Künstlerinnen, die er auf der ganzen Welt eingefangen hat.«

    Christopher starrte leer vor sich hin, er war nun so in Erinnerungen versunken, dass Wynter ihn am liebsten umarmt, ganz fest an sich gedrückt und gesagt hätte: Hör auf. Hör jetzt auf. Komm zurück. Das ist zu viel . Aber er redete weiter mit dieser tonlosen, gleichförmigen

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