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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Augen und ließ meine Hände zu seinem Nacken wandern. Sanft löste ich meine Lippen von seinen.
    »Oh, du bist verspannt«, schnurrte ich und umkreiste mit meinen Fingerspitzen sanft seinen Haaransatz.
    »Hmmm«, antwortete Zeno nur.
    »Leg dich hin, ich massiere dich«, flüsterte ich und stupste ihn auffordernd, bis er sich auf den Bauch rollte. Seine Bewegungen waren träge, wohlig. Vorsichtig kniete ich mich über ihn und begann, seinen Nacken zu kneten.
    »Ich weiß nicht, mir ist irgendwie … so komisch«, murmelte Zeno plötzlich und machte Anstalten, sich aufzurichten.
    »Entspann dich, das sind nur die verkrampften Muskeln«, beruhigte ich. Er startete noch einen halbherzigen Versuch, sich mit den Ellenbogen hochzustemmen, doch mein Gewicht auf seinem Rücken hinderte ihn daran.
    »Feline«, protestierte er, doch es klang etwas verwaschen.
    Ich presste sanft, aber energisch meine Knie an seine Seite und murmelte beruhigend: »Schon gut. Alles okay.«
    Er murmelte noch etwas, doch Sekunden später erschlaffte sein Körper. Nur noch seine regelmäßigen Atemzüge waren zu hören. »Zeno?«, vergewisserte ich mich und blieb sicherheitshalber noch eine halbe Minute über ihm, bevor ich mich behutsam aus meiner knienden Stellung löste. Zeno rührte sich nicht. Er war in einen tiefen, bewusstlosen Schlaf gefallen. So wie ich, nachdem Deva mir vor ein paar Tagen die angeblichen Vitamine verabreicht hatte. In Form einer weißen Kapsel, die ich das letzte Mal ausgespuckt und seitdem in der Tasche meiner Shorts mit mir herumgetragen hatte. Zeno schnarchte einmal kurz, dann atmete er wieder ruhig.
    Ich betrachtete den Schlafenden. Zitternd stieß ich den Atem aus. Es kam mir vor, als hätte ich seit Stunden die Luft angehalten. Mein Plan war verdammt riskant gewesen und hätte jederzeit schiefgehen können. Die Chancen, Zeno tatsächlich weismachen zu können, ich hätte wegen Liebeskummer aus der Oase weggewollt, hatten fifty-fifty gestanden. Aber ich hatte ihn richtig eingeschätzt. Er ging ganz selbstverständlich davon aus, dass meine Gefühle für ihn so stark waren, dass er mir das Herz brechen konnte. Und mit der Behauptung, Nick sei in mich verliebt, hatte ich seinen Jagdinstinkt geweckt. Damit war es mir gelungen, ihn in das Zimmer und aufs Bett zu lotsen. Er hatte mir sogar meinen Hustenanfall geglaubt und auch keinen Verdacht geschöpft, als ich in die Küche verschwunden war. Dort hatte alles ganz schnell gehen müssen. Während ich die Kapsel aus meiner Hosentasche gefischt hatte, war mein Blick durch die Küche geschweift, auf der Suche nach einem scharfen Messer. Zum Glück steckten mehrere in verschiedenen Größen in einem Messerblock, sodass ich nicht erst sämtliche Schubladen öffnen musste. Ich hatte mir das Kleinste gegriffen und mit der Spitze in die durchsichtige Gelhülle der Kapsel gepiekst. Die zäh auslaufende Flüssigkeit hatte ich hastig in das eine Glas geträufelt und dann Saft aus dem Kühlschrank hinterhergeschüttet. Während ich noch schnell umrührte, war mein Blick die ganze Zeit auf die Tür gerichtet, zu der Zeno jeden Moment hätte hereinkommen können. Vor Aufregung hatten meine Hände gezittert.
    Sobald ich das Zimmer wieder betreten hatte, musste ich nicht nur eine Unschuldsmiene zur Schau stellen, sondern auch höllisch aufpassen, die beiden Gläser nicht zu verwechseln. Sonst hätte jetzt statt Zeno
ich
auf dem Bett gelegen: Im Dornröschenschlaf und taub für alles, was um mich herum geschah.
    Aber es war alles gut gegangen.
    Immerhin war Zeno der lebende – oder vielmehr schlafende – Beweis, dass seine Mutter mich belogen hatte. Ihre »Aufbaupräparate« waren Schlafmittel, und offenbar sehr wirksame.
    Obwohl ich ahnte, dass ihn vorerst nichts und niemand wach bekommen würde, schlich ich auf Zehenspitzen zur Tür und schlüpfte in den Flur. Kurz überlegte ich, was ich fühlte: Wut? Schuldbewusstsein? Oder Schadenfreude, weil ich Zeno überlistet hatte? Ich horchte in mich hinein, aber in meinem Inneren schien alles abgestorben zu sein. Ich hatte mal gehört, dass man bei einer Schussverletzung erst nur eine Art Schlag spürt, aber keinen Schmerz. Der kam erst viel später, wenn der Schock nachließ. Vielleicht war es bei der Verletzung, die er mir zugefügt hatte, ähnlich. Zumindest war mein Kopf seit Langem endlich mal wieder klar. Jetzt galt es, zur Polizei zu kommen, damit die nach Nick suchte.
    Meine Schuhe hatte ich bereits im Zimmer ausgezogen und trug sie

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