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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Anspannung. Jede Sekunde länger in der Oase erhöhte die Gefahr, dass ich entdeckt wurde. Kali könnte kommen, um nachzufragen, wo ich blieb. Oder Aryana wollte noch mal mit Zeno reden. Mein Herz pumpte donnernd und vor Anspannung grub ich die Fingernägel in meine Handballen. Der Ladebalken schien seit Minuten an derselben Stelle zu verharren. Ob ich den Vorgang nicht doch abbrechen sollte? Wer weiß, ob die Aufnahme überhaupt brauchbar war? Da erschien endlich die erlösende Botschaft »Ihre Mail wurde erfolgreich versendet« auf dem Bildschirm.
    In fliegender Hast löschte ich meine virtuellen Spuren, ehe ich mich hastig aus meinem Account ausloggte und hinaus in den Flur huschte. Aus dem Zimmer, in dem Zeno schlief, drang kein Laut. Zum Glück war Deva fort. In diesem Augenblick fiel mir siedend heiß ein, dass er dennoch nicht der Einzige war, der sich im Haus befand: Jaron war ja noch da! Hin- und hergerissen verharrte ich auf der Stelle. Sollte ich darauf vertrauen, dass der Kleine durchschlief? Sofort geisterten Bilder von dem weinenden Kleinkind, das niemand hörte, durch meinen Kopf. Ich sah ihn verzweifelt in seinem Laufställchen stehen, das Gesichtchen rot vom Weinen und sein Atem durch die Schluchzer nur noch ein hysterischer Schluckauf, bis er fast erstickte …
    Ich schüttelte den Kopf. Das brachte ich nicht übers Herz. Aber wenn ich seinetwegen blieb, würde ich meine einzige Chance vergeben, zu fliehen. Vor allem würde Zeno, sobald er aufwachte, wissen, was ich ihm verabreicht hatte. Was sollte ich also tun? Den Kleinen aus seinem Bettchen nehmen und versuchen, ihn unauffällig in den Mädchenschlafsaal zu tragen? Genauso gut konnte ich dann gleich Kali und den anderen von meinen Fluchtplänen erzählen.
Denk an dich und Nick – und renn, so schnell du kannst
, drängte der eine Teil meiner inneren Stimme.
Jaron kann nichts dafür. Willst du ihn wirklich mutterseelenallein lassen?
, argumentierte der andere.
    Vorsichtig schlich ich ins Kinderzimmer. Er lag selig schlummernd in seinem Bett, die Händchen zu Fäusten geballt. Während ich noch mit mir rang, fiel mein Blick auf die bunte Kommode mit der Wickelauflage. Dort stand ein ovaler rosa-grüner Gegenstand mit einer kurzen Antenne, der aussah wie das Handy der Teletubbies. Ich war kurz irritiert, bis mir klar wurde, um was es sich handelte: ein Babyfon. Ich atmete auf. Dann musste sich irgendwo auch das Gegenstück befinden. Wahrscheinlich in Zenos oder Devas Zimmer. Ich schlich also noch einmal in den Raum mit dem Notebook und fand tatsächlich neben einem schlichten Futon – Zenos Bett – das Empfangsgerät. Erleichterung war gar kein Ausdruck für das, was ich fühlte.
    So schnell ich konnte, lief ich zur Haustür, öffnete sie möglichst lautlos und drückte mich durch den schmalen Spalt, immer mit der Angst im Nacken, die Tür könnte plötzlich laut quietschen und jemanden aufmerksam werden lassen.
    Die Nacht war mondlos. Dichte Sommergewitterwolken hatten sich vor den Mond geschoben, der seine runde, helle Scheibe hinter dem schmutzigen Wattegrau versteckte. Ein paar Sekunden lang stand ich da und versuchte, meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen, der meinen ganzen Körper vibrieren ließ. Behutsam und auf jedes Geräusch achtend schlich ich zu meinem Schlafsaal. Die Fenster waren gekippt. Behutsam legte ich den Empfänger des Babyfon außen auf das Fensterbrett. Falls Jaron aufwachen und weinen sollte, würde garantiert eines der Mädchen von dem Lärm des Gerätes aufwachen. Zwar würden sie dann auch den betäubten Zeno entdecken, aber dann war ich hoffentlich bereits weit genug weg, um mich nicht erwischen zu lassen. Ich hoffte nur, Jaron würde wenigstens die nächste Stunde durchschlafen. Das würde mir einen Vorsprung geben. Ich ahnte, dass die Kommunenbewohner mich unter allen Umständen in die Oase zurückbringen würden, wenn sie mich erwischten. Selbst wenn ich versuchen würde, ihnen die Sache mit Mia zu erklären. Tränen brannten in meinen Augen, weil sogar Lukas und Aryana auf einmal zu Feinden geworden waren. Trotzdem brachte ich es nicht fertig, wütend auf sie zu sein. Irgendwie konnte ich verstehen, dass sie an der Oase und an Zeno hingen. Bis vor Kurzem hätte ich auch alles dafür getan, hierbleiben zu können. Aber jetzt hatte ich Angst. Ich wollte nicht wieder ruhiggestellt werden, mich nicht wieder einlullen lassen. Sonst würde ich vielleicht bald nicht mehr wissen, wer ich war. Dann wäre ich nur noch

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