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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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in Berlin! Ich sage dir, was ich glaube: Sie wollte aussteigen. Urs hat das spitzgekriegt und ist ihr nach. Es kam zu einem Streit, vielleicht wollte er sie festhalten oder Mia hat angefangen zu schreien. Jedenfalls hat er sie getötet, absichtlich oder aus Versehen. Daraufhin hat Urs Panik gekriegt und ihre Leiche in den Moorsee geworfen. Aber er hat ein schlechtes Gewissen gekriegt. Ich habe gehört, wie er zu Deva so was in die Richtung gesagt hat«, ratterte ich herunter.
    Aryana hatte den Kopf schief gelegt und mir ruhig zugehört. Jetzt schüttelte sie den Kopf, immer noch mit diesem seltsam gütigen Lächeln auf dem Gesicht. Langsam wurde sie mir unheimlich.
    »Urs hat Mia nicht umgebracht«, sagte sie sanft. »Dazu ist der gar nicht in der Lage.« Gerade wollte ich ihr in die Parade fahren und kontern, dass ich mit eigenen Augen gesehen hatte, wozu der grobschlächtige Oasenbewohner fähig war, da fuhr Aryana fort: »Aber du hast recht. Mia wollte weg und Urs ist ihr auf die Schliche gekommen. Die beiden haben gestritten. Dann ist Mia wütend davongelaufen. In den Wald. Wahrscheinlich wollte sie zur Straße. Urs ist ihr gefolgt und hat versucht sie zurückzuhalten. Mia hat sich gewehrt. Aber sie hat noch gelebt, als Urs sie am See zurückgelassen hat.«
    Ich brauchte eine Weile, bis die Bedeutung ihres Satzes in mein Bewusstsein sickerte. Die Zeit schien auf einmal langsamer zu laufen, Aryanas Worte erschienen mir wie ein Gummiband, das sich dehnte und dehnte – bis es plötzlich zurückschnellte. Mit derselben Wucht traf mich die Erkenntnis.
    »Woher weißt du das?«, krächzte ich.
    Aryana taxierte mich schweigend. Eine Erklärung war auch nicht nötig, ich wusste es bereits.
    »Du warst auch dort. Und du hast Mia gesehen«, flüsterte ich erstickt.
    Aryana nickte. »Ich habe gehört, wie die beiden sich schon in der Oase gezofft hatten. Mia hat Urs gedroht. Dann ist sie abgehauen. Als Urs ihr nachgelaufen ist, bin ich ihm heimlich gefolgt«, erklärte sie. »Dann habe ich ihn und Mia entdeckt und ihren Streit mitgekriegt. Urs wollte, dass Mia mit ihm zurück in die Oase kommt, aber sie hat ihn beschimpft und um sich geschlagen wie eine Verrückte.« Aryana holte tief Luft und blickte in den wolkenverhangenen Nachthimmel, als würden dort die damaligen Ereignisse wie ein Film ablaufen. »Urs hat versucht, sie festzuhalten, aber Mia hat sich losgerissen und ist weggerannt. Er hinterher. Kurz vor dem Seeufer ist sie dann über eine Wurzel gestolpert und hingefallen.«
    In einem Winkel meines Bewusstseins nahm ich wahr, dass ich am ganzen Körper zitterte, aber ich hörte Aryana gebannt zu.
    »Mia hat stark am Kopf geblutet. Sie war bewusstlos …«, sagte sie gedankenverloren.
    Meine Stimme schien irgendwo zwischen Schlüsselbein und Kehle festzustecken, trotzdem öffnete ich den Mund und brachte heraus: »Urs dachte, sie wäre tot. Also hat er sie in den Moorsee geworfen, wo sie ertrunken ist, stimmt’s?«
    Aryana blinzelte erstaunt, dann schüttelte sie den Kopf. »Aber nein! Als Urs das Blut gesehen hat, ist er in Panik geraten und davongerannt«, sagte sie. »Aber wer …«, fing ich an, ehe ich verstummte, weil ich in dieser Sekunde alles begriff. Urs war weggelaufen, aber Mia hatte noch gelebt. Und nur Aryana war zu diesem Zeitpunkt am See gewesen.
    »Du?«, flüsterte ich. Und obwohl es offensichtlich war, weigerte ich mich, diese Tatsache zu akzeptieren. Aryana konnte Mia nicht einfach liegen gelassen haben, bis sie verblutet war. Nicht dieses zarte, stets fröhliche Mädchen, das immer so nett zu mir gewesen war. Als ich ihr das sagte, verzog sich ihr Mund zu einer verzerrten Linie.
    »Pah, nett! Und was hat mir das genutzt? Nichts, gar nichts!«, spie sie mir entgegen. »Die liebe, freundliche Aryana, die nie was Böses sagt. Die immer lächelt, auch wenn man auf ihren Gefühlen herumtrampelt …« Sie verstummte und fuhr sich heftig mit dem Handrücken über die Nase. Ich starrte sie an. Sie schien meine unausgesprochene Frage zu erahnen, denn sie lachte auf, hoch und spöttisch. »Glaubst du etwa, du wärst die Erste gewesen, die Zeno in sein Bett geholt hat? Oder die Einzige – die Auserwählte?«, spottete sie, doch ihre Stimme klang schrill vor Wut.
    Eigentlich hätte ich es wissen müssen, trotzdem traf mich die Erkenntnis. Aryana hatte den Stich gezielt ausgeführt und jetzt steckte der Dolch ihrer boshaften Worte bis zum Schaft in meinem Herzen.
    »Zeno hat immer gesagt, dass er niemanden

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