Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
Vom Netzwerk:
Hilfe rappelte er sich zum Sitzen hoch. »Klappe halten und trinken«, wies ich ihn energisch an und gehorsam setzte er die Flasche an. Als er einmal angefangen hatte, hörte er nicht mehr auf, sondern schluckte die Flüssigkeit gierig, bis ich ihm behutsam das Wasser wegnahm. »Vorsichtig, sonst kotzt du alles wieder raus.«
    »Geht schon wieder«, stöhnte Lukas und versuchte, auf die Beine zu kommen. Endlich kam auch in Urs Bewegung und er griff Lukas unter beide Achselhöhlen und stellte ihn mühelos auf die Beine. Für ihn schien Lukas nicht mehr zu wiegen als ein Terrier.
    »Wir bringen ihn zurück«, sagte ich.
    Urs öffnete den Mund, als wollte er protestieren, aber ich trat dicht vor ihn hin und zischte leise: »Ein Wort zu Zeno – und ich erzähle ihm, du hättest uns so lange gequält, bis Lukas zusammengebrochen ist. Also pass auf, was du sagst!«
    Daraufhin erwiderte Urs nichts. Er band sich seine Kiepe auf den Rücken und schnallte sich die von Lukas vor die Brust. Dann brachen wir zur Oase auf.
    Ohne uns eines Blickes zu würdigen, setzte Urs seine Last im Hof ab und verschwand in dem Gebäude, wo er mit vier anderen Jungs hauste. Ich war mir sicher, er würde Zeno nichts davon erzählen, was sich auf dem Feld abgespielt hatte. Aber ich ahnte, dass ich ab jetzt einen Feind in der Oase hatte.
    *
    Nick war sauer. Den halben Tag war er durch den Mauerpark gelatscht auf der Suche nach dieser ominösen Hippietruppe vom Görlitzer Parkfest. Sogar den Sportunterricht am Nachmittag – normalerweise die einzige Stunde, die ihm wirklich Spaß machte – hatte er deswegen geschwänzt. Und wofür? Dass er sich an einem fettigen Döner den Magen verdorben hatte. Von den Hippies, geschweige denn von Feline jedoch keine Spur. Nick ärgerte sich über sich selbst. Wer sagte denn, dass sie tatsächlich mit denen abhing? Diese Ökotypen mit ihren langen Haaren und ihrem Gerede von Eigenanbau und Selbstversorgung waren doch gar nicht ihre Welt. Aber dann hatte Nick erneut das Bild Felines vor sich – und den Blick, mit dem sie diesen großen blonden Surfertypen mit seinem affigen Zopf angesehen hatte. Sie hatte ihn garantiert wiedergetroffen. Das bewies Nick ein Ziehen in seinem Magen. Und das scharfe Brennen in Höhe seines Herzens besagte, dass ihm die Sache zwischen Feline und diesem Zeno ganz und gar nicht passte …
    *
    Beim Abendbrot balancierte ich zwei Teller mit einem matschigen Erbseneintopf durch den Gemeinschaftsraum und ließ mich neben Lukas plumpsen, der apathisch vor einem Pott Tee hockte. »Hier«, sagte ich und schob eine Portion zu ihm rüber.
    »Ich darf nicht …«, fing er an, aber ich unterbrach ihn.
    »Willst du gleich noch mal zusammenklappen? Iss jetzt oder ich mache einen auf Affenmutter und füttere dich!« Mit dieser Drohung drückte ich ihm energisch einen Löffel in die Hand, ehe ich mich meinem gefüllten Teller zuwandte und anfing, mir die Pampe in den Mund zu schaufeln. Nach kurzem Zögern, tat Lukas es mir nach. Obwohl das Zeug fade wie eh und je schmeckte, war es doch eine Wohltat, überhaupt etwas zu essen.
    »Na, das war ja ein kurzes Fasten«, hörte ich Zenos Stimme. Er war unbemerkt hinter uns aufgetaucht und sofort ließ Lukas schulbewusst seinen Löffel fallen. Auch ich war ertappt zusammengezuckt und für eine Sekunde hatte ich das Gefühl, bei einer Missetat erwischt worden zu sein. Dann aber zwang ich mich, ruhig weiterzuessen.
    »Tja. Wer hart arbeitet, muss essen«, sagte ich. »Oder gibt es irgendein Gesetz, wie lange man fasten muss?« Ein paar Köpfe hoben sich und die Blicke brannten Löcher in meinem Rücken. Egal. Ich hatte Hunger und war aggressiv. Zu meiner Verblüffung wuschelte mir Zeno nur kumpelhaft durchs Haar.
    »Ach was, jeder entscheidet bei uns selbst, was er tut. Wir sind doch nicht im Straflager«, grinste er. Beifälliges Gelächter der Bewohner quittierte seinen Scherz und nahm mir schlagartig den Wind aus den Segeln.
    »Oh, okay«, brachte ich nur heraus.
    Zeno setzte sich neben mich. »Feline, du brauchst dieses Misstrauen nicht. Wenn du immer nur Schlechtes von anderen Menschen erwartest, vergiftest du damit nur dein eigenes Herz«, sagte er leise und liebevoll.
    Ich schluckte. Plötzlich war meine Wut verraucht wie Zigarettendunst an der frischen Luft. Stattdessen fühlte ich mich klein und traurig. Zeno hatte recht. Seit dem plötzlichen Tod meiner Mutter war ich verschlossen und argwöhnisch. Ich traute niemandem mehr über den Weg – am

Weitere Kostenlose Bücher