Moorseelen
Feline.«
»Hi, Herr Tauber! Wieso war Feline nicht in der Schule …?«
»Deswegen rufe ich an. Entschuldigen Sie, wenn ich unterbreche, aber Sie wissen nicht zufällig, wo sie steckt?«
»Öh, nee, keinen Schimmer. Wieso?«
»Ach, na ja, hängen Sie’s bitte nicht an die große Glocke, aber … Feline ist abgehauen. Hat sie sich vielleicht mal bei Ihnen gemeldet?«
»Fehlanzeige. Ich wäre aber sowieso ziemlich der Letzte, bei dem Feline anklingeln würde.«
»Wieso, hatten Sie auch Knatsch?«
»Nee, nicht wirklich. Sie hat mich nur im Park stehen lassen … Hey, Moment mal …«
»Nick? Könnten Sie lauter sprechen – ich verstehe Sie so schlecht. Ist alles in Ordnung?«
»Alles chic, muss nur Schluss machen, ich hab gleich Nachmittagsunterricht.«
»Ja, natürlich. Entschuldigen Sie, dass ich einfach so angerufen habe. Falls sich Feli bei Ihnen meldet …«
»Gebe ich Laut, geht klar. Tschüss, Herr Tauber!«
»Wiederhören, Nick. Und danke!«
»Ach, und Herr Tauber … Herr Tauber?« Aufgelegt. Tja, Feli,
ich
kann’s mir denken, mit wem du unterwegs bist. Ich hab dich und Mister Pferdeschwanz nämlich im Park beobachtet, nachdem du mich abgeschossen hattest. Und ich fress ’nen Besen, wenn der Kerl nicht was damit zu tun hat, dass du jetzt U-Boot spielst und untertauchst. Aber das kriege ich noch raus, verlass dich drauf …
Kapitel 7
»Warte, ich nehme dir das ab!« Bidu, der große Blonde, nahm mir den schweren Korb aus der Hand. Darin türmten sich Möhren, Zucchini und dicke, grüne Salatköpfe, die ich gerade im Gemüsegarten geerntet hatte. Dankbar sah ich ihn an. Er zuckte grinsend die Schultern. »Na ja, ist dein erster Fastentag, da ist man ziemlich groggy. Kenne ich. Aber warte ab, das wird ’ne völlig neue Erfahrung für dich werden«, prophezeite er.
Klar, dachte ich grimmig: die Erfahrung, dass es noch eine Steigerung zu Hunger gibt – nämlich mehr Hunger. Im Gemüsegarten hätte ich am liebsten meine Zähne in eine der erdverkrusteten Mohrrüben geschlagen, wie ein Karnickel auf Entzug. Dabei war ich mir gestern noch so sicher gewesen. Nach der Diashow hatte ich mich vor Zeno hingestellt und gesagt: »Ab morgen faste ich auch.« Dass Mia, die es hörte, spöttisch das Gesicht verzog, bestärkte mich noch in meinem Entschluss. Und Zenos anerkennender Blick und sein Arm um meine Schulter waren für mich Antrieb genug, am nächsten Morgen tatsächlich nüchtern zu bleiben. Der dauerfade Porridge hatte mir die Entscheidung leicht gemacht. Aber schon am Vormittag fing mein Magen an, fordernd zu grummeln. Und während ich mittags bei sengender Sonne auf der trockenen Erde kniete und Möhren aus dem harten, trockenen Boden zog, wurde das Knurren immer lauter. Man hätte denken können, ein schlecht gelaunter Hund läge neben mir im Gemüsebeet. Ich trank literweise Wasser, aber das Hungergefühl nagte und bohrte. Trotzdem blieb ich eisern. Ich wollte allen zeigen, dass ich ihnen ebenbürtig war und es verdiente, in der Oase zu sein.
Einmal hatte Zeno nach mir gesehen und sein aufmunterndes Lächeln ließ mich durchhalten. Trotzdem war ich über den kräftigen Bidu froh, der nun meine schwere Ernte trug.
»Fasten führt zu einer Bewusstseinsveränderung. Du merkst, wie wenig du eigentlich brauchst. Wir in der Oase ziehen das regelmäßig durch, um uns mental immer wieder auf ein neues Level zu bringen«, ermunterte mich Bidu.
Bewusstseinsveränderung, gut und schön. Leider war mir nur zu bewusst, wie wacklig auf den Beinen ich mich fühlte. Statt meines Kopfes schien ein schwerer Kürbis auf meinem Hals zu sitzen. Während die anderen im Gemeinschaftsraum zu Abend aßen, hockte ich mit angezogenen Knien auf einer der grob gezimmerten Bänke, die rund um den freien Platz aufgestellt waren, und träumte von Spaghetti mit cremiger Soße und dick mit Käse belegten Pizzastücken. Gerade als kleine, gezuckerte Kringel von Dunkin Donuts begannen, vor meinen Augen einen hämischen Ringelreihen zu tanzen, tauchte Juli auf. Im Schlepptau hatte sie Mia.
»Du hältst echt durch«, stellte Juli anerkennend fest und lächelte mir zu, ehe sie weiterging. Mia blieb stehen und blickte auf mich herab. »Glaub ja nicht, dass ich nicht Bescheid weiß«, sagte sie leise. Die Verachtung in ihrer Stimme war so deutlich, dass ich sie überrascht anstarrte. »Du machst das doch nicht für dich, sondern nur seinetwegen«, schleuderte sie mir entgegen.
Es war klar, wen sie meinte – Zeno.
Mir schoss
Weitere Kostenlose Bücher