Moorseelen
gewesen und er hätte diesen durchgeknallten Haufen Hippies schon eine halbe Stunde nach seiner Ankunft in ihrem »Dorf« lieber von hinten gesehen.
Der Grund, warum er blieb, war Feline.
Zuerst, weil er einfach neugierig war und dachte, er würde vielleicht rausfinden, was sie hier hielt. Aber jetzt machte er sich echte Sorgen um sie. Sie hatte ihm vorhin etwas erzählen wollen, ehe Zeno dazwischengegrätscht war. Irgendetwas sagte Nick, dass es etwas Ernstes war, ein Geheimnis, das Feline ihm anvertrauen wollte. Er stand auf und klopfte sich den mausbraunen Staub von der Hose. Er würde sie in einer ruhigen Minute noch mal fragen.
In diesem Moment kam der blonde Junge mit den Rastas um die Ecke gestapft. Nick brauchte einen Moment, bis ihm dessen Name wieder einfiel: Lukas. »Hier bist du! Wir haben dich schon gesucht. Zapfenstreich für heute«, sagte er und sah Nick auffordernd an.
Der nickte ergeben. Sollte er jemals in die Hölle kommen, würde er sich die Zeit hier garantiert als Bonus anrechnen lassen, dachte Nick seufzend, ehe er Lukas zum Schlafsaal folgte.
Kapitel 13
»Om, Ham, Hanumate Nahmaha«
, tönte es vielstimmig. Seit Sonnenaufgang hockte ich mit den anderen Bewohnern der Oase in dem fensterlosen kahlen Raum, in dem die Meditationssessions stattfanden. Minutenlang sangen wir das Mantra, das für Heilung und Kraft stand. Wieder und wieder intonierten wir die neun Silben monoton und in so vielen Wiederholungen, dass ich aufgegeben hatte, mitzuzählen, wie oft genau. Immer wenn Zeno einen Gong schlug, verstummten wir und versanken in Schweigen. Danach ging das Singen von vorne los.
Aus dem Augenwinkel schielte ich zu Nick, dem das ungewohnte Sitzen auf dem runden, harten Meditationskissen offenbar nicht behagte. Dauernd krümmte er entweder den Rücken oder zappelte mit den Beinen, und als er einmal den Kopf drehte, knackten seine Halswirbel laut. Flüchtig sah ich, wie Lukas sich daraufhin ein Grinsen verbeißen musste. Mir machte das lange Stillsitzen merkwürdigerweise nichts aus, im Gegenteil. Seit ich heute Morgen aufgewacht war, befand mich in einem geradezu entrückten Zustand. Das, was gestern gewesen war, schien heute schon nicht mehr wichtig. Ich fühlte mich gelassen, ja geradezu erleuchtet und geriet durch das Mantrasingen noch tiefer in eine Art heitere Trance. Die Gedanken, die ich dachte, waren nicht meine eigenen und zogen ähnlich der vom heftigen Sommerwind getriebene Wolken durch meinen Kopf. Es war ein angenehm befreiendes Gefühl, nicht mehr zu grübeln und nichts zu hinterfragen.
Viel zu schnell für meinen Geschmack war die Session vorbei. Ich hätte noch stundenlang so sitzen können, traumverloren und mit dieser angenehmen Leere im Kopf, doch Zeno schlug drei Mal langsam den Gong und läutete damit das Ende der Meditation ein. Alle fassten sich an den Händen.
»Wir sind eine Gemeinschaft und die Gemeinschaft macht uns stark«, sagte Zeno und sah lächelnd jeden der Reihe nach an. Auf mir verweilte sein Blick länger und er schien sich direkt an mich zu wenden, als er hinzufügte: »Lasst euch nicht von Andersdenkenden verunsichern! Jeder einzelne von euch ist wertvoll und wichtig. Denn jeder von euch leistet einen Beitrag, damit wir zusammen die Welt ein bisschen besser machen. »
»Esogelaber«, vernahm ich kaum hörbar Nicks Murren neben mir. Ich warf ihm einen verächtlichen Blick zu.
Unter gesenkten Wimpern ließ ich den Blick schweifen. Die Aufmerksamkeit sämtlicher Oasen-Bewohner war auf Zeno gerichtet. Kali, Aryana und viele andere lächelten selig. Urs hatte den Kopf etwas vorgestreckt, was ihm das Aussehen eines übergewichtigen Kamels verlieh. Er hing förmlich an Zenos Lippen. Die Worte
Nimm dich in Acht
tauchten in meinem Kopf auf und ich vermeinte, die Stimme meiner Mutter zu hören. Aber ich war immer noch derart ferngesteuert, dass der Eindruck einer Warnung nur sternschnuppenkurz aufblitzte und sofort wieder verschwand. Außerdem entstand um mich herum Unruhe: Die Oasianer erhoben sich von ihren Meditationskissen und gingen gemessenen Schrittes hinaus ins Freie. Ich fühlte mich träge und wäre am liebsten sitzen geblieben, doch da rückte Nick an mich heran und versetzte mir einen Stups.
»Hey, was ist los? Wartest du darauf, dass dir Buddha persönlich das Frühstück serviert?«, stichelte er.
»Nee, das ist meine patentierte Energiesparhaltung«, erwiderte ich gereizt. Schwerfällig rappelte ich mich aus dem Schneidersitz hoch und schwankte
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