Moorseelen
Weg. Nein, das Beste wäre, selbst noch einmal zum Moorsee zu gehen und nachzusehen, ob Mia wirklich dort unten war, obwohl mir davor graute. Aber vielleicht könnte ich Nick überreden, mitzukommen, wenn es möglich wäre, einen Moment ungestört mit ihm zu reden. Doch dazu hatte ich vorerst keine Gelegenheit. Sobald ich Anstalten machte, zur Oase zu laufen und Nick mir folgte, heftete sich Kali an unsere Fersen. Inzwischen schien auch Nick zu spüren, dass irgendetwas faul war und blieb abrupt stehen.
»Sag mal, willst du ’ne Ausbildung zum Bodyguard machen oder warum rennst du uns dauernd hinterher?«
Ich wäre an Kalis Stelle entweder im Boden versunken oder in die Luft gegangen, doch sie blickte ihn nur ausdruckslos an.
»Wieso, ich gehe mit euch zurück, was stört dich daran?«, gab sie zurück. Bei Nick biss sie damit aber auf Granit.
»Mich stört es, dass ich bewacht werde wie ein Knacki«, knallte er ihr vor den Latz.
Statt sauer zu werden, lächelte Kali, es war jedoch ein trauriges Lächeln. »Ich wollte dir nur helfen, dich hier zurechtzufinden. Ich dachte, du freust dich. Tut mir leid, wenn ich euch gestört habe«, sagte sie und wandte sich ab.
Nick biss sich auf die Lippen. Und auch an mir nagten leichte Schuldgefühle, als ich Kalis bedrückte Miene sah. »Hey, sorry, so war das jetzt nicht gemeint«, lenkte Nick ein.
Kali strahlte schon wieder. »Ach, ist schon okay«, vergab sie Nick großmütig.
Einträchtig zockelten wir zu den Gebäuden. Später würde sich schon noch eine Chance ergeben, Nick alleine zu sprechen, dachte ich. Aber sobald wir auf den großen freien Platz einbogen, lotste Kali mich geschickt von ihm weg, indem sie behauptete, heute alleine Küchendienst zu haben.
»Du wärst mir wirklich eine große Hilfe«, schmeichelte sie. Mir blieb nichts anders übrig, als ihr zu folgen, wenn ich nicht schon wieder wie eine egoistische Zicke dastehen wollte. Zu allem Überfluss erschien Urs und behauptete, er habe Nick schon überall gesucht. Die beiden waren nämlich zusammen mit zwei anderen Bewohnern zum Kartoffelnsammeln eingeteilt. Ich konnte mir nicht verkneifen, Nick ironisch »Viel Spaß« zu wünschen. Auf die Idee, dass er absichtlich von mir getrennt und ein Gespräch unter vier Augen verhindert worden war, kam ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Auch während der gemeinsamen Mahlzeit am Abend hatte ich keine Chance, Nick wegen meines Plans, zum Moorsee zu gehen, anzusprechen. Völlig k.o. schlurfte er in den großen Essraum und wirkte nicht besonders gesprächig. Trotzdem wollte ich versuchen, ihn nach dem Essen abzufangen. Sobald ich aber meine leere Schüssel nahm – heute war ein ungewürztes Kartoffelgericht dran gewesen – und aufstand, gesellten sich Kali und Aryana zu mir.
»Zeno möchte dich sprechen«, verkündete Kali feierlich.
»Oh, okay«, sagte ich überrumpelt.
»Na dann komm«, forderte mich Aryana auf und hakte sich freundschaftlich bei mir unter, während sie mich mit sich zog. Auf dem Weg zu Zenos Haus plauderte Aryana fröhlich und erzählte von einem seltenen Schmetterling, den sie heute im Garten gesehen hatte. Ich hörte ihr nur mit halbem Ohr zu. Weshalb bestellte Zeno mich wohl zu sich? Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
»Ich würde gerne noch einmal alleine mit dir reden, Feline. Wenn du einverstanden bist«, erklärte er mir, nachdem er mich mit seinem strahlenden Lächeln in Empfang genommen und Aryana damit auch verabschiedet hatte.
»Hm, ja, okay«, murmelte ich. Brav trottete ich hinter Zeno her in den Raum, der mir von den zwei vorangegangenen Sessions bereits vertraut war. Ohne von Zeno aufgefordert zu werden, setzte ich mich hin. Er nickte mir zu und nahm gegenüber Platz.
»Deva ist in Berlin, wir sind also ungestört«, sagte er. Dann sah er mich minutenlang schweigend an. Gerade als ich glaubte, die Verlegenheit und das Unbehagen nicht mehr auszuhalten, begann er zu reden. »Es geht dir nicht gut, Feline, und das bedrückt mich«, sagte er.
Instinktiv wollte ich widersprechen, ihm versichern, es sei schon wieder besser, doch Zeno brachte mich mit einer kleinen Handbewegung zum Schweigen.
»Wie war das eigentlich, als dein Vater dir seine neue Freundin vorgestellt hat?«, fragte er unvermittelt.
Ich stutzte. Wollte er mich prüfen? »Alles das ist Vergangenheit und liegt hinter mir«, formulierte ich sorgfältig.
Zeno lächelte anerkennend. »Sehr gut. Nur manchmal müssen wir noch einmal in das Gestern
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