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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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kurz, weil sich der Raum um mich drehte. Trotzdem wehrte ich Nicks Hand ab, die er mir entgegenstreckte. »Geht schon«, meinte ich und ging nach draußen. Tatsächlich verschwand das Gefühl der Benommenheit an der frischen Luft – im Gegensatz zu Nick.
    »Ich muss mit dir reden«, raunte er. »Du sahst gestern so komisch aus, als du gesagt hast, du hättest diese Mia gesehen?«
    Ich seufzte. »Vergiss es, Nick, ich stand einfach neben mir«, sagte ich und hoffte, ihn damit los zu sein.
    Fehlanzeige.
    »Das Gefühl hatte ich aber nicht«, widersprach er. »Du hast eher gewirkt, als hättest du richtig Schiss!«
    »Quatsch«, gab ich heftig zurück. »Das bildest du dir ein!«
    »Was bildet er sich ein?«, schaltete sich eine helle Stimme ein. Kali war herangetreten und musterte uns eingehend. Ich konnte ihre Miene nicht deuten, außerdem war ich von ihrem Auftauchen so überrumpelt, dass ich keinen Ton herausbrachte. Doch Nick blieb ganz cool.
    »Ich habe komische bunte Punkte gesehen, als wir meditiert haben. Feline meint, es wäre nur Einbildung«, erfand er hastig eine Ausrede. Offenbar mit Erfolg, denn die Anspannung wich aus Kalis Gesicht und sie lachte.
    »Ach, so was ist total normal! Ich hätte früher bei den Sessions schwören können der Fußboden bewegt sich, wenn ich lange auf einen Punkt gestarrt habe«, erklärte sie. »Deine innere Unruhe gaukelt dir Dinge vor, die aber in Wirklichkeit gar nicht da sind. Zeno nennt es den ›Affengeist‹, weil die Gedanken wie ungezogene Schimpansen durch unser Hirn springen. Aber sobald man geübter wird, verschwinden diese Störfaktoren und die heilende Energie der Mantren entfaltet ihre volle Wirkung.« Kalis Wangen hatten sich vor Eifer gerötet, während sie erzählte. Sie strahlte, als hätte sie den Stein der Weisen gefunden.
    »Soso, heilende Energien«, spottete Nick leise. Laut sagte er: »Na hoffentlich werde ich dann ebenfalls bald erleuchtet, ich will auch fleißig üben.« Kalis Lächeln schwand und sie runzelte die Stirn, unsicher, ob Nick sie aufzog oder nicht. Der grinste unschuldig. »Nichts für ungut, Kali, aber Feline wollte mir gerade den Garten zeigen. Wir sehen uns.« Damit zog er mich mit sich.
    Überrumpelt stolperte ich ein paar Schritte neben ihm her, als ich Kali bemerkte, die an meiner Seite auftauchte. »Ich komme mit«, erklärte sie liebenswürdig, »ich kann dir alles erklären, was wir hier anbauen.«
    »Danke, aber ich kenne das heimische Gemüse«, wiegelte Nick ab, aber sie ließ sich nicht abschütteln.
    Ich war eher verwirrt, Nick sah jedoch ziemlich genervt aus, traute sich aber offenbar nicht mehr, etwas zu sagen. Schweigend stapften wir zu dritt zum Zaun, der den Garten begrenzte. Ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Doch sie erschienen mir zäh und klebrig wie Zuckerwatte. Bei diesem Stichwort jedoch klingelte etwas bei mir. Hatte Deva mir nicht eingeschärft, viel zu trinken? Also ging ich brav zu dem kleinen Brunnen und hielt mein Gesicht unter das Kupferrohr. In großen Schlucken trank ich das fließend-kalte Wasser. Zum Schluss warf ich mir noch zwei Handvoll davon ins Gesicht. Danach fühlte ich mich deutlich wacher.
    Ich drehte mich um und sah Nick und Kali vor dem Stachelbeerstrauch stehen. Wieder klickte es in meinem Kopf. Hinter diesem Busch hatte ich mich versteckt. Aber warum? Ähnlich einer Luftblase im See stieg die Antwort an die Oberfläche meines Bewusstseins: Ich hatte Urs und Deva im Garten gesehen. Nun schien in meinem Kopf eine Maschine in Gang gesetzt worden zu sein, denn jetzt ratterten auch die übrigen Bilder an meinem geistigen Auge vorbei: Urs, der im Gras kniete. Deva, die ihm ein nasses Taschentuch reichte … Wie hatte ich das vergessen können? Erneut hörte ich im Geiste ihre Stimme, als sie den korpulenten Jungen ziemlich scharf ermahnte, sich zusammenzureißen. Und plötzlich sah ich den Moorsee vor mir – und Mias fischweißen Körper, der regungslos im Wasser lag. Erneut streifte mich ihre weiche Totenhand und ein erstickter Laut drang aus meiner Kehle.
    »Feline«, hörte ich jemanden sagen, doch es war nicht Mia, die da sprach, sondern Kali.
    »Siehst du ’ne Fata Morgana oder warum guckst du so entgeistert?«, schaltete Nick sich ein.
    Am liebsten wäre ich auf der Stelle mit der Wahrheit herausgerückt, doch ich beherrschte mich. »Ich hab nur einen Moment vor mich hingeträumt«, beschwichtigte ich ihn, doch eigentlich galten meine Worte Kali. Ich traute ihr nicht über den

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