Mops und Möhren
mich!«, strahlt Mariam.
Irgendwann sind alle Mitglieder der Wonne mit Getränken versorgt und ein ziemlich geschaffter Klaus Hünken bittet um Ruhe.
»Was kostet das eigentlich mit der Eule?«, flüstert Mariam.
»Äh … also … Wildtiereinsätze … werden eigentlich aus Spenden beglichen«, antworte ich und schaue dabei fragend zu Arne. Der nickt, aber ich sehe seinem Gesichtsausdruck an – und ich weiß es ja selbst, weil ich die Zahlen kenne – dass das Konto mehr als leer ist. Die Leute kaufen Flachbildfernseher, Tablet-PCs oder Klamotten wie verrückt, aber ein paar Euro für die Tiere hat keiner übrig. Und dann auch noch die anstehenden Reparaturkosten für den Krankenwagen …
»Liebe Mitglieder«, beginnt nun Klaus Hünken. Ich gebe Mariam ein Zeichen, dass wir nachher weiterreden. »Danke, dass ihr so vollzählig erschienen seid. Was ich euch mitzuteilen habe, wollte ich nicht mit einem Aushang machen.« Ein Raunen geht durch den Saal und Klaus Hünken nestelt etwas aus seiner Hosentasche. Umständlich entfaltet er ein Blatt Papier.
»Am besten lese ich euch das vor.« Der Vorsitzende räuspert sich, ehe er loslegt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Zuge der Überprüfungen städtischer Liegenschaften und der damit verbundenen steuerlichen Erfassung teilen wir Ihnen mit, dass die Liegenschaftssteuern seit dem Jahre 1973 von Ihrem Verein nicht mehr entrichtet wurden. Wir bitten deshalb um Nachzahlung in Höhe von 42.190,12 € bis zum 1. September. In diesem Betrag enthalten ist bereits der Abschlag für die gesetzlichen Verjährungsfristen.
Des Weiteren weisen wir Sie darauf hin, dass der Erbpachtvertrag für die Gartenkolonie zum 1. Januar kommenden Jahres ausläuft. Die Lauben haben bis zu diesem Zeitpunkt entfernt und die Gärten abgeräumt zu werden.
Mit freundlichen Grüßen
Pukallus, Stadt Stuttgart, Amt für Liegenschaften und Wohnen
Klaus Hünken lässt den Brief sinken. Mir sinkt der Magen Richtung Boden, als in meinem Kopf ankommt, was er da eben gesagt hat. Einen Augenblick herrscht absolute Ruhe. Dann poltern die Ersten los. Ein wahrer Orkan bricht los und ich kann nur Wortfetzen verstehen. Die reichen von »Heimadsogga« über »die Arschlöcher« bis hin zu »Sauerei, hundsgemeine« und »die hend doch nemme älle Latta am Zaun!« Rolf und Chris starren sich entgeistert an. Chris’ Lippen zittern. Rolf schüttelt stumm den Kopf.
»Ruhe! Seid doch mal ruhig!«, versucht Klaus Hünken, sich Gehör zu verschaffen. Es dauert ein paar Minuten, ehe sich der Sturm legt und ein sichtlich nervöser Vorsitzender versucht, die Lage zu analysieren. Chris ist kreidebleich. Rolf knetet nervös die ohnehin schon schäbige zweiseitige Speisekarte, die in einem Ständer auf dem Tisch stand.
»Ich habe bereits mit einem Anwalt gesprochen. Herr Othmer ist heute auch anwesend«, sagt Hünken und deutet auf einen der Tische im hinteren Teil. Ein Mittvierziger erhebt sich und drängt sich zwischen den Tischen hindurch nach vorn. Er sieht gar nicht aus, wie ich mir einen Rechtsverdreher vorstelle: bequemer hellblauer Wollpulli, Jeans und eine runde Brille mit knallrotem Rand.
»Guten Tag«, stellt der Anwalt sich vor. »Mein Name ist Bernd Othmer. Herr Hünken hat mich mit der Wahrnehmung Ihrer Interessen beauftragt. Zunächst einmal werden wir gegen den Bescheid Widerspruch einlegen. Das verschafft uns zumindest einen zeitlichen Vorteil.«
»Ja und dann?«, ruft Rolf aufgebracht. »Machen die die Kolonie eben später zu, oder was?« Chris legt ihm die Hand auf die Schulter, aber Rolf schüttelt sie ab.
»Das ist doch typisch Beamte, ich könnt kotzen, echt!«, poltert er.
»Bitte, bitte«, beschwichtigt Klaus Hünken. So habe ich meinen Mitbewohner noch nie erlebt, aber ehrlich gesagt – mir geht’s auch nicht anders. Stinkwütend wäre untertrieben.
»Ich werde ein Gespräch mit den Verantwortlichen anstreben«, gibt der Anwalt bekannt. »Bis dahin bitte ich Sie alle, Ruhe zu bewahren. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen.«
»Allerdings nicht!«, ruft Chris.
»Genau, mit uns machen die das nicht!«, stimmt Rolf zu. Dann reden wieder alle durcheinander, schimpfen, fluchen und hauen mit den Fäusten auf die Tische.
»Komm«, sagt Arne zu mir. »Wir müssen weiter.«
»Ich kann doch meine Jungs jetzt nicht allein lassen«, gebe ich zu bedenken.
»Schon okay, Tanja«, sagt Chris und Rolf nickt.
»Wartet, ich komme mit, muss noch ein paar Sachen aus dem Wagen holen«, sagt
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