Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mops und Möhren

Mops und Möhren

Titel: Mops und Möhren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Porath
Vom Netzwerk:
Plastikteil, dem ein Geruch nach einer Überdosis ätzender Reinigungsmittel entströmt, hat einfach keinen Palazzo Pipi verdient. Aber es erfüllt seinen Zweck, und wenn ich ›Schöner Pinkeln‹ haben will, dann muss ich ja nur zu Hause in der WG aufs Töpfchen gehen. Da durfte Chris sich ja austoben!
    »Ah, Madame Zombie, nehmen Sie Platz!« Rolf bittet mich mit großer Geste an den Tisch. Ich strecke ihm die Zunge raus.
    »Pass bloß auf, was du sagst, sonst huste ich dich an«, gebe ich kichernd zurück.
    »Hätte nichts dagegen, Süße«, kommentiert Chris. »Ein paar Tage gelber Zettel … hach.«
    »Ja, so ein bisschen blaumachen würde mir auch gefallen«, gibt Rolf zu. »Ich habe im Moment so was von keinen Bock mehr auf meinen Job. Jeden Tag dasselbe, und der Zeitdruck wird immer größer. Ich bin zwar bei der Bummelpost, aber wir kriegen den ganzen Druck ab von oben. Seit es immer mehr private Zustelldienste gibt. Nein, das ist nicht mehr schön.«
    Ich nicke. Rolf fährt fort. »Vor zwei, drei Jahren konnte ich mir noch die Zeit nehmen, auch mal einen Plausch zu halten mit einer Oma oder mal ein Käffchen trinken mit einem alleinstehenden Mann.«
    »Na, na!« Christ tut entrüstet.
    »Nein, nicht was du denkst«, lacht Rolf. »Aber mein Bezirk hat sich beinahe verdoppelt, und es ist mehr ein Marathonlauf mit der Stoppuhr im Kreuz statt ein Kundendienst.«
    »Du sollst nur mir dienen, keinem Kunden!«
    »Ach Chris!« Rolf lächelt schief.
    »Ich weiß schon, was du meinst«, beschwichtigt ihn sein Liebster. »Bei uns ist es auch zum Kotzen. Sorry, ist aber so.« Er piekst schwungvoll ein Stück Bienenstich auf seine Gabel und kaut darauf, als müsse er einen Stein zermalmen. Dabei ist der Kuchen federleicht.
    »Ich weiß ja, dass die Leute alle Frust schieben. Und es ist mir auch klar, dass sie nicht mich persönlich meinen, wenn sie ausrasten und rumbrüllen. Aber ganz ehrlich, ich arbeite bei einer Service-Hotline. Nicht bei der Telefonseelsorge.« Ich muss kichern, als ich mir Chris im Talar und mit päpstlichem Gesichtsausdruck vorstelle. Gut zuhören kann er ja.
    »Vorhin hatte ich eine Frau dran, die sofort losgeheult hat. Ihr Mann ist mit der Nachbarin durchgebrannt, der Sohn hat seine Zahnspange verloren, die Tochter ein neues Zungenpiercing und sie keine Ahnung, wie die neue Waschmaschine zu schleudern aufhört.«
    Rolf lacht los. »Mein armer, armer Schatz«, tröstet er Chris.« Der schmollt ein bisschen.
    »Ich habe halt nur fünf Minuten pro Anrufer«, sagt er schnippisch. »Wie soll ich da die ganzen Probleme lösen, wenn ich erst mal rausfinden muss, warum so jemand überhaupt anruft?«
    »Ja, was wollte die Frau eigentlich«, frage ich.
    »Ihren Psychologen sprechen. Sie hatte sich verwählt.« Ich brülle los und Rolf kichert mit. Auch Chris muss jetzt lachen, und nachdem wir uns wieder beruhigt und die Hunde mit je einem halben Stück Biskuitboden verwöhnt haben, fällt mir unser Besucher wieder ein. Der war irgendwo im Fiebernebel verschwunden. Also erzähle ich erst mal, was ich so erlebt habe, während ich vermeintlich das süße Leben in der Laube genoss.
    »Starkes Stück!« Rolf schüttelt den Kopf, als ich fertig bin mit Erzählen. »Und das Kind kann einem echt leidtun.«
    »Na ja, ich hätte es nicht ganz so schlecht gefunden, wenn mein Vater ein Böötchen am See gehabt hätte«, wirft Chris zwinkernd ein. »Die Surfer und so … «
    »Chris, am Bodensee sind eher weniger Surfer!« Ich muss lachen. Rolf haut seinem Schatz gespielt auf den Hinterkopf.
    »Was mich viel mehr interessieren würde als irgendwelche Familienstreitigkeiten und Jachten ist die Frage, was der Pukallus hier zu suchen hatte. Die Stadt schickt ihn doch ganz bestimmt nicht wegen der Steuer her. Und dass er eine Laube pachten will, ist ja wohl ausgeschlossen.«
    »Das wär ja noch schöner, den hier als Nachbarn zu haben«, rufe ich.
    »Wartet mal einen Moment.« Rolf steht auf und kommt gleich darauf aus der Laube wieder, seine erst wenige Monate alte Errungenschaft im Arm. »Fragen wir doch mal Carolin!«
    »Die schon wieder.« Chris verdreht die Augen. »Was hat sie, was ich nicht habe?«
    »Mobiles Internet, Schatz!«, kontert Rolf und schaltet sein gerade mal zehn Tage altes iPad ein. Chris schnappt sich ein zweites Stück Bienenstich und spielt den Beleidigten. Ich giggele innerlich vor mich hin. Dass Frauen ihre Autos oder technischen Geräte mit Namen versehen, wusste ich. Neu war mir, dass das auch

Weitere Kostenlose Bücher