Mops und Möhren
tröstet unseren Schläger Chris kaum.
Postbote ist ein mieser Job. Zumindest was das Aufstehen mitten in der Nacht angeht. Das sage ich Rolf, als er mich um kurz nach vier Uhr in der Nacht weckt.
»Tanja, du musst mir helfen!« Arne, der nackt neben mir liegt, grunzt unwillig im Schlaf und rollt sich auf die andere Seite. Ich ziehe schnell die Decke über seinen Hintern. Das ist schließlich privat.
»Was? Ist was passiert?«, frage ich schlaftrunken.
»Nein. Aber du musst mich krankmelden. Ich kann nicht arbeiten heute.«
»Was? Du siehst ganz gesund aus!«
»Bin ich ja auch. Aber ich muss nachher zu Earl.«
»Und deswegen schneist du hier mitten in der Nacht rein?« Ich mag ihn. Ich mag Rolf sehr. Aber nicht um vier Uhr morgens.
»Sorry, aber die Kollegen fangen an und ich muss jetzt Bescheid geben.« Innerlich tobe und zetere ich, aber für einen echten Aufstand bin ich viel zu müde. Rolf grinst mich an, plinkert mit den Augen und macht einen Kussmund.
»Bitte!«
»Jetzt mach schon, damit der Kerl verschwindet«, murrt Arne ins Kissen.
»Mann«, motze ich und nehme Rolf das Mobilteil des Telefons aus der Hand. »Und was darf es sein?«
»Was Mehrtägiges, bitte. Dir fällt schon was ein. Nummer ist gespeichert, Kurzwahl 0. Null wie null Bock.«
Ich wähle. Schon nach dem zweiten Tuten geht eine Frau dran. Donnerwetter, die Jungs und Mädels von der Post sind echt fix.
»Sortierzentrum Stuttgart, bitte?«
»Ich, äh, guten Morgen, also gute Nacht«, stammele ich.
»Ja?« Klingt genervt. Wäre ich auch, wenn ich um die Uhrzeit arbeiten müsste.
»Tanja Böhme. Ich bin die Mitbewohnerin von Rolf. Herrn Schröder.«
»Aha. Und?«
»Herr Schröder ist krank.«
»Ach.«
»Ja, er hat … also … «
»Magen-Darm?« Die Frau ist toll!
»Ja genau. Das hat er.«
»Mann, das geht gerade rum, Kai hat das auch. Wahrscheinlich hat Karin das hier angeschleppt.«
»So wird das sein. Also, er kann dann heute nicht.«
»Bloß nicht kommen! Der soll sich diese Woche nicht mehr blicken lassen, nachher steckt er uns auch noch an. Nein danke, das fehlt mir gerade noch.«
»Ich werde es ausrichten«, sage ich. Die Frau legt grußlos auf. Verständlich, nachts um vier habe ich auch keine Lust auf Smalltalk.
»Und? Was habe ich?«
»Kotzerei und Scheißerei. Du sollst die Woche daheim bleiben«, gebe ich bekannt. Rolf nickt zufrieden.
»Kannst du jetzt abhauen?«, knurrt Arne.
»Ja, bin schon weg, gute Restnacht!«
»Du mich auch.« Arne stöhnt. Ich auch. Dann kuschele ich mich wieder unter die Decke und versuche, den Rest der Nacht so gut es geht für das zu nutzen, für das sie gemacht ist.
Leider bimmelt knapp drei Stunden später schon der Wecker.
»Hau ab«, knarzt mein Schatz, der mittlerweile wieder ohne Decke daliegt und sein knackiges Popöchen in die Landschaft streckt.
»Das ist nicht Rolf«, flüstere ich und beuge mich über Arne, um dem Wecker einen Schlag zu versetzen. Dabei streifen meine – ebenfalls nackten – Brüste Arnes Rücken. Schön ist das. Ich lege mich quer über ihn und knabbere an seinem rechten Ohr.
»Hmmm«, macht Arne. Jetzt schnurrt er wie ein Tiger. Ich fahre meine Krallen aus, und so kommt es, dass wir an diesem Tag zwar mit bester Laune, aber ohne Frühstück eiligst aus dem Haus hetzen. Die Jungs schlummern noch, was man an Chris’ überlautem Schnarchen sehr deutlich hört. Die geschwollene Nase wirkt wie ein Verstärker.
Unser erster Weg führt uns natürlich in die Praxis von Frau Lösch. Wieder können wir in der Augusten-straße nur in zweiter Reihe parken. Bei einem ›zivilen‹ Auto würde das ein wildes Hupkonzert auslösen, aber der ehemalige Krankenwagen hat so was wie Welpenschutz, auch wenn er keine Menschen mehr transportiert. Die Haustür ist noch geschlossen, und auf unser Klingeln hin ertönt der Summer.
»Was du wolle? Frau Arzt nix da!«, fährt uns eine etwa einen Meter hohe und genau so breite Furie in Kittelschürze und mit Kopftuch an. Das Staubsaugerrohr hält sie fest umklammert.
»Mein Name ist Fuchs, ich bin Tierarzt«, erklärt Arne.
»Du nix Arzt hier.«
»Nein, aber wir haben einen Patienten. Frau Dr. Lösch weiß Bescheid, dass wir kommen.«
»Frau Doktor nix da.«
»Hören Sie, wir wollen nur nach unserem Hund sehen«, versuche ich es und lächle die Frau an. Dem Akzent nach kommt sie aus dem Baltikum.
»Du nix Hund«, erklärt sie mir. Ja, weiß ich. Ich bin kein Hund und habe im Moment auch keinen dabei.
»Earl.
Weitere Kostenlose Bücher