Mopsküsse: Roman (German Edition)
Blick für Farben und Details und, was fast noch wichtiger war, über eine ausgeprägt praktische Ader. Renovierungsarbeiten aller Art waren kein Problem für sie. Es gab fast nichts, was sie nicht schon einmal gemeistert hatte. Tapezieren, streichen, Teppiche verlegen, Möbel abschleifen und lackieren – ein Klacks! Georgias Augen wurden bei den Schilderungen vergangener Heldentaten immer größer. Klar, auch sie hatte viel für ein schönes Ambiente übrig, aber selbst Hand anlegen? Das war ihr bislang noch nie in den Sinn gekommen. Doch warum nicht? Es würde eine willkommene Abwechslung sein. Sie würde nicht so viel an ihr verkorkstes Leben und an Konstantin denken müssen. Außerdem war Antonellas Begeisterung ansteckend, auch wenn sie sich das »Dschungelzimmer«, den »Fifties-Salon« und das »Ankleidezimmer im Boudoir-Stil« noch nicht so recht vorstellen konnte. Für ihr eigenes Schlafzimmer hatte sie jedenfalls eine Idee. Da sollte ihr Kleinmädchentraum wahr werden: Sie würde ein Prinzessinnenzimmer bekommen, ganz in Weiß, Rosa und Pink!
Als Georgia am nächsten Morgen wach wurde, lag ein leise schnarchender Hugo neben ihr. Sie sah auf die Uhr. Schon halb zehn! So lange hatte sie ewig nicht mehr geschlafen. Sie fühlte sich nicht etwa verkatert, was nach dem italienischen Lebenselixier kein Wunder gewesen wäre, sondern fit und ausgeruht. Als sie die Ereignisse der letzten achtundvierzig Stunden Revue passieren ließ, verdüsterte sich ihre Stimmung jedoch merklich. Trotzig schob sie die dunklen Gedanken an Konstantins Verrat beiseite. Schließlich waren am Vortag auch viel erfreulichere Dinge passiert. Das Schicksal hatte sie in ein neues Leben katapultiert. Das sah zwar nicht ganz so aus, wie sie es sich vorgestellt hatte – mit Konstantin im Landhaus samt Baby und Labrador -, doch war es unbedingt so viel schlechter? Jetzt hatte sie die temperamentvolle Antonella, einen kapriziösen Mops und eine Wohnung, die in nächster Zeit bestimmt genauso viel Zuwendung verlangen würde wie ein Kleinkind. Sie kitzelte Hugo wach, der ihr zur Begrüßung gleich wieder voller Begeisterung die Nase ableckte, und schwang sich entschlossen aus dem Bett. Von Antonella war keine Spur zu sehen, und im Flur fehlte ein Fahrrad. Offenbar war sie unterwegs. Als Erstes rief Georgia in ihrer Firma an und nahm ihren gesamten Resturlaub. Ihr Chef wollte dieses Ansinnen sofort im Keim ersticken, doch sie blieb hart. Nach einer zähen Viertelstunde willigte er ein. Unfassbar, fünfundfünfzig Tage waren es, elf freie Wochen! So viel Freizeit hatte sie zum letzten Mal als Kind gehabt. Das sollte ausreichen, um die Wohnung herzurichten und wieder ein bisschen ins Lot zu kommen, beschloss sie. Nachdem sie ein ausführliches Bad genommen hatte, machte sie sich eine Tasse Tee und schaltete ihren Laptop an. Mit einem zufriedenen Lächeln tippte sie die ersten Worte. »Renovierung« nannte sie ihr Projekt. »Start ins neue Leben« wäre auch passend, dachte sie.
Antonella verschaffte sich währenddessen ein bisschen Bewegung auf ihrem Mountainbike. Auf ihrer Tour, die mehr eine Stadtbesichtigung als eine ernsthafte Trainingseinheit war, sinnierte auch sie über die letzten beiden Tage. Vergangene Woche war sie noch eine unbekümmerte Einunddreißigjährige gewesen, der man ihr orientierungsloses und karriereloses Leben allerdings immer weniger nachsah. Sie hatte kein Geld gehabt, keinen festen Job und auch keine großartige Perspektive, und dass sie mal wieder bei ihrer Mutter gewohnt hatte, war auch nicht gerade ideal gewesen. Jetzt war sie plötzlich in einer fremden Stadt, war Wohnungsbesitzerin und sogar Vermieterin. Hundebesitzerin war sie leider auch, aber dafür hatte sich ja im Handumdrehen eine tolle Lösung gefunden. Georgia schien wirklich lieb zu sein, auch wenn sie sich etwas eigenartig verhielt, was ihren Exfreund betraf. Immerhin war sie aus unerfindlichen Gründen in den Köter vernarrt und bereit, mit ihr die Wohnung herzurichten. Und wer weiß, vielleicht würde sie sogar zur guten Freundin werden. In diese Überlegungen versunken, achtete sie kaum darauf, wohin sie fuhr, und fand sich irgendwann am Main wieder. Im Wasser glitzerte die Morgensonne, und einige Enten stritten sich um Brotkrumen. Ein großes Frachtschiff, das unterm Eisernen Steg durchfuhr, fesselte Antontellas Aufmerksamkeit. So etwas kannte sie von der Isar nicht. Plötzlich war sie umringt von einer Seniorengruppe, die sich am Flussufer
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