Mopsküsse: Roman (German Edition)
Erkundungstour durch die feudale Villa begeben. Wie immer auf der Suche nach etwas Essbarem. In der Küche wurde er fündig und machte sich mit großer Begeisterung über den Inhalt von Kater Baudelaires scheinbar verwaistem Napf her. Ein dreister Übergriff, den der stolze Perser nicht ungestraft dulden konnte. Mit ausgefahrenen Krallen stürzte er sich von seinem Beobachtungsposten auf dem Fensterbrett auf den nichtsahnenden Eindringling. Unter wütendem Kläffen und Fauchen endete die darauf folgende wilde Jagd mit einem lauten Klirren im Salon. Erschrocken rannten Georgia und ihre Mutter nach nebenan, und die Szenerie, die sich den Frauen bot, brachte Ute Holtau nahe an eine Ohnmacht: Eine schöne chinesische Vase lag zertrümmert am Boden, Baudelaire hing im teuren Seidenvorhang, und davor tobte Hugo mit blutender Nase.
»Nimm den Hund weg! Schau dir nur an, was dieses Tier hier angerichtet hat. Das ist ein unersetzliches Stück! Hat dein Vater mir zum Hochzeitstag bei Christie’s ersteigert«, kreischte Georgias Mutter, die ihre ganze hanseatische Contenance im Speisezimmer gelassen hatte. »Schaff diesen durchgedrehten Köter sofort ins Auto!«
»Hugo kann nicht im Auto warten – sperr doch einfach den verdammten Kater irgendwo ein«, konterte Georgia hitzig und ebenfalls reichlich laut.
»Ich denke gar nicht daran! Baudelaire wohnt schließlich hier!«
»Das tun wir ja Gott sei Dank nicht!« Georgia war mit einem Mal wieder eiskalt. Sie nahm Hugo auf den Arm, machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Zimmer. »Tim, wir gehen!« Sie griff sich ihre Handtasche und war schon zur Tür hinaus. Tim folgte ihr verwirrt, aber gehorsam nach draußen. Auch Carl-Friedrich war seiner wütenden Tochter zum Auto hinterhergelaufen. Beim Abschied schlug er Tim gegenüber überraschend versöhnliche Töne an: »Junge, versprechen Sie mir eines: Der Porsche wird nie verkauft. Da schenke ich euch lieber eine Familienkutsche zur Geburt des ersten Kindes.«
Damit hatte er, ohne es zu ahnen, eine weitere Lawine ausgelöst. Über Kinder hatten sie sich nämlich noch gar nicht unterhalten. Georgias Kinderwunsch war nach der Trennung von Konstantin und dem Start von Hugo’s Affairs eine Zeitlang in den Hintergrund getreten. Doch seit sie von Antonellas Schwangerschaft erfahren hatte, dachte sie wieder intensiv über ein eigenes Kind nach. Allerdings hatte sie keine Vorstellung davon, wie Tim zu Nachwuchs stand. Auf der Rückfahrt schnitt sie daher vorsichtig das Thema an: »Mein Vater hat vielleicht Vorstellungen, aber eigentlich ist es ja süß von ihm, oder?«
»Ja, ja, er ist ein netter Kerl.« Tim konzentrierte sich auf den Verkehr.
»Und es wäre doch ganz schön, wenn wir irgendwann ein größeres Auto bräuchten?«
»Mhmm?«
»Na ja, ich hätte schon ganz gerne ein Kind. Irgendwann.« Georgia sah, wie ihr Liebster die Stirn runzelte, und fragte unsicher nach. »Du vielleicht nicht?«
»Das wirst du jetzt nicht gerne hören, aber Wollen ist da nicht die Frage.«
»Was meinst du damit?«
Tim legte ihr eine Hand aufs Knie. »Ich hatte vor zehn Jahren ziemlich schlimm Mumps.«
»Ja, und?«
»Das ist eine gar nicht so unübliche Nebenwirkung bei erwachsenen Männern – ich kann ziemlich sicher keine Kinder zeugen. Aber hey, Baby, wir können doch auch ohne Kinder glücklich werden, oder?«
Georgia schwieg bestürzt. Diese Nachricht musste sie erst einmal verdauen.
Die dramatische Enthüllung zehrte auch in den nächsten Wochen an Georgia, doch sie behielt ihre Sorgen für sich. Anfang Oktober blätterte sie lustlos durch einen Stapel Wohnzeitschriften, als Antonella melodramatisch seufzend in der Küche erschien: »Jetzt lasst ihr mich bald alle allein – sogar Hugo!«
»Antonella, das ist lächerlich.« Georgia blickte genervt auf. Seit der Auszug beschlossene Sache war, hatte sich die Stimmung in der WG extrem verschlechtert. »Wir ziehen nur eine Etage höher. Außerdem bist du nicht mehr lange allein. Da ist es doch gut, dass wir ausziehen, damit du Platz für dein Kind hast.«
»Na super«, sagte Antonella frustriert, »so ein Kind ist ja auch eine ganz tolle Gesellschaft! Als ob die Situation nicht schon schlimm genug wäre …«
»Du bist so was von undankbar«, brauste Georgia auf. »Wenn das so weitergeht, wirst du für dein Kind genauso ein Desaster wie für Hugo und das Geschäft!«
»Was für ein Quatsch! Du weißt ganz genau, dass uns das angebliche Degenhardt-Desaster haufenweise
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