MoR 01 - Die Macht und die Liebe
einflußreiche Ritter herbei, sobald sich die Nachricht von Marius’ überraschender Ankunft verbreitete.
Wieviel Format Marius gewonnen hatte! Was für eine eindrucksvolle Erscheinung, als er so dastand, einen halben Kopf größer als die Menschen um ihn herum, mit einem stolzen Lächeln auf den Lippen! Wie breit seine Schultern waren, wie geschaffen, um die Bürde des Konsulats zu tragen! Zum ersten Mal in seiner langen Laufbahn erlebte der italische Bauer ohne Griechischkenntnisse eine echte politische Huldigung. Nicht die gesunde, vertrauensvolle Achtung seiner Soldaten, sondern die wankelmütige, eitle Bewunderung der Massen auf dem Forum. Und Gaius Marius genoß sie nicht, weil sie seinem Selbstwertgefühl schmeichelte, sondern weil sie so fremd, so verführerisch, so geheimnisvoll war.
Er stürzte sich in die fünf hektischsten Tage seines Lebens. Er hatte weder Zeit noch Energie, Julia mehr als eine flüchtige Umarmung zu schenken, und war nie zu einer Zeit daheim, zu der man ihm seinen Sohn zeigen konnte. Denn der überschwengliche Empfang, der ihm auf dem Forum zuteil geworden war, hieß nicht, daß er auch gewinnen konnte. Die ungeheuer einflußreiche Sippe Caecilius Metellus verband sich mit allen anderen aristokratischen Fraktionen, Patriziern und Plebejern, in einem letzten verzweifelten Bemühen, den italischen Bauern ohne Griechischkenntnisse vom Elfenbeinstuhl fernzuhalten. Marius hatte Rückhalt bei den Rittern, bei seinen spanischen Verbindungen und in Prinz Gaudas Versprechungen für die Zeit, wenn er endlich Herrscher in Numidien sein würde. Aber es gab auch viele Ritter, die an die verschiedenen Fraktionen gebunden waren, die sich gegen Marius zusammengeschlossen hatten.
Und die Menschen redeten, argumentierten, fragten, diskutierten: wäre es wirklich gut für Rom, den homo novus Gaius Marius zum Konsul zu wählen? Ein homo novus war immer ein Risiko. Ein homo novus kannte das vornehme Leben nicht. Ein homo novus war nun einmal ein homo novus und blieb ein homo novus ... Ja, seine Frau war eine Julia aus dem Geschlecht Julius Caesar. Ja, seine militärische Laufbahn war eine Zierde für Rom. Ja, er war so reich, daß man zuversichtlich erwarten konnte, er werde nicht anfällig für Bestechung sein. Aber hatte man ihn je bei Gericht gesehen? Hatte man ihn je über Gesetze und Gesetzgebung sprechen hören? War er nicht vor vielen Jahren einmal ein Störenfried im Kollegium der Volkstribunen gewesen, als er denjenigen die Stirn geboten hatte, die Rom und die Bedürfnisse Roms besser kannten als er, und hatte er nicht dieses verhaßte Gesetz durchgebracht, das regelte, daß die Abstimmungsbezirke in der saepta verengt wurden? Und dann sein Alter! Volle fünfzig Jahre wäre er alt, wenn er gewählt werden sollte, und alte Männer waren immer schlechte Konsuln.
Und zusätzlich zu all diesen Spekulationen und Einwänden schlug die Fraktion von Caecilius Metellus handfestes Kapital aus dein größten Schwachpunkt des Gaius Marius. Er war kein römischer Römer. Er war ein italischer Römer. Hatte Rom so wenig geeignete römische Adlige, daß ein italischer homo novus Konsul werden sollte? Gewiß gab es unter den Kandidaten ein halbes Dutzend Männer, die würdiger waren als Gaius Marius! Alles Römer. Alles gute Leute.
Natürlich hielt Marius Reden, vor kleinen und vor großen Gruppen, auf dem Forum Romanum, im Circus Flaminius, von den Podien der Tempel, am Porticus Metelli, in allen Basiliken. Und er war ein guter Redner. Er beherrschte die Prinzipien der Rhetorik, obwohl er seine Fähigkeiten erst geübt hatte, seit er Mitglied des Senats war. Scipio Aemilianus hatte ihm den nötigen rhetorischen Schliff beigebracht. Er schlug seine Zuhörer in Bann, niemand ging vorzeitig weg oder langweilte sich, auch wenn er es nicht mit einem Lucius Cassius oder einem Catulus Caesar aufnehmen konnte. Viele Fragen wurden ihm gestellt, manche von Männern, die einfach etwas wissen wollten, manche von Männern, die er selbst beauftragt hatte zu fragen, und manche von Männern, die sich für die Unterschiede zwischen seinen Antworten und Metellus’ Berichten an den Senat interessierten.
Die Wahl verlief ruhig und geordnet. Sie fand auf dem Marsfeld statt, in der saepta , einem eigens für Volksabstimmungen umzäunten Raum. Die Wahlen der fünfunddreißig Tribus konnten am Versammlungsort der Komitien auf dem Forum Romanum abgehalten werden, denn es war leicht, die Wähler der Tribus auf relativ engem Raum
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