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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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unzufrieden und ruhelos aus. Ihre Stimme hatte einen klagenden Unterton, und sie stieß immer noch diese tiefen Seufzer aus, eine unbewußte Angewohnheit, die aber trotzdem ärgerlich war. Wie ihr Schniefen.
    »Hast du Wein da?« fragte Julilla plötzlich.
    Julia sah sie verblüfft an. Sie war schockiert und ärgerte sich zugleich über ihre prüde Reaktion. Schließlich tranken heutzutage viele Frauen Wein! Als Zeichen sittlicher Verkommenheit galt das nur noch in Kreisen, die Julia selbst unerträglich intolerant und bigott fand. Und trotzdem, wenn die jüngere Schwester, kaum zwanzig Jahre alt und aus dem Hause eines Gaius Julius Caesar, am hellen Morgen nach Wein fragte, ohne daß eine Mahlzeit in Sicht war - dann war das doch schockierend!
    »Natürlich habe ich Wein da«, erwiderte Julia.
    »Ein Glas wäre jetzt wunderbar.« Julilla hatte lange mit sich, gerungen, ob sie fragen sollte. Natürlich provozierte sie damit einen Kommentar, und sie setzte sich ungern der Mißbilligung ihrer älteren, stärkeren und erfolgreicheren Schwester aus. Aber sie hatte sich nicht beherrschen können. Früher oder später mußte die Rede sowieso auf das heikle Thema kommen.
    Julilla stellte fest, daß sie ihrer Familie immer überdrüssiger wurde. Sie fand die ganze Sippschaft uninteressant, fad und langweilig. Besonders die allseits bewunderte Julia, die Gattin des Konsuls, die so schnell zu einer der geachtetsten jungen Ehefrauen Roms aufgerückt war. Nie ein falscher Schritt - so war Julia. Mit ihrem Schicksal zufrieden, verliebt in ihren entsetzlichen Gaius Marius, eine vorbildliche Hausfrau, eine treusorgende Mutter. Wie entsetzlich langweilig!
    »Trinkst du oft morgens Wein?« fragte Julia so beiläufig wie möglich.
    Die Antwort waren ein Schulterzucken, eine fahrige Bewegung der Hände und ein bohrender Blick, mit dem Julilla den versteckten Vorwurf zur Kenntnis nahm und zugleich beiseite wischte. »Sulla tut es, und er hat gern Gesellschaft.«
    »Sulla? Du nennst ihn bei seinem cognomen ?«
    Julilla lachte. »Ach Julia, du bist so altmodisch! Natürlich nenne ich ihn bei seinem Beinamen! Wir sind doch nicht im Senat! In unserem Bekanntenkreis verwendet heute jeder den Beinamen, das ist schick. Außerdem mag Sulla es, wenn ich ihn so nenne. Er meint, wenn jemand Lucius Cornelius zu ihm sagt, fühlte er sich gleich tausend Jahre älter.«
    »Dann bin ich wirklich altmodisch, das muß ich sagen.« Julia versuchte wieder, beiläufig zu klingen. Plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf, und sie lächelte. Vielleicht lag es am Licht, aber sie sah jetzt jugendlicher aus als ihre jüngere Schwester - und schöner.
    »Aber wenigstens habe ich eine Entschuldigung! Gaius Marius hat überhaupt keinen Beinamen.«
    Der Wein kam. Julilla goß sich ein Glas voll. Den Wasserkrug aus Alabaster ließ sie unbeachtet stehen. »Darüber habe ich oft nachgedacht«, sagte sie. Sie nahm einen großen Schluck. »Wenn Gaius Marius Jugurtha besiegt hat, findet er sicher einen eindrucksvollen Beinamen für sich. Daß aber auch dieser eingebildete Sauertopf Metellus den Senat überreden konnte, ihm einem Triumph zu gewähren und ihm den Beinamen Numidicus zu verleihen! Gaius Marius hätte diesen Beinamen bekommen müssen!«
    »Metellus Numidicus hat sich seinen Triumph verdient, Julilla«, belehrte Julia ihre Schwester. »Er hat viele Numider getötet und große Beute nach Hause gebracht. Und wenn er sich Numidicus nennen will und der Senat sagt ja, das darf er, dann spricht doch nichts dagegen, oder? Außerdem sagt Gaius Marius immer, daß der schlichte Name seines Vaters für ihn gut genug sei. Gaius Marius gibt es nur einmal, Caecilius Metellus heißen Dutzende. Wart’s ab - mein Mann hat es gar nicht nötig, sich durch so etwas Künstliches wie einen Beinamen von der Masse abzuheben. Mein Mann wird der Erste Mann in Rom sein - allein deshalb, weil er mehr kann als andere.«
    Julilla fand es unerträglich, wenn Julia ihren Gaius Marius so über den grünen Klee lobte. Ihre Gefühle gegenüber ihrem Schwager waren eine Mischung aus Dankbarkeit für seine Großzügigkeit und Geringschätzung. Die Geringschätzung hatte sie von ihren neuen Freunden übernommen, die Marius und mit ihm seine Frau als Aufsteiger verachteten. Julilla schenkte sich nochmals Wein ein und wechselte das Thema.
    »Der Wein ist nicht übel, Schwester. Ich stelle fest, Marius kann sich einen guten Tropfen leisten.« Und nach einer kleinen Pause fragte sie: »Lebst du

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