MoR 01 - Die Macht und die Liebe
ihnen.
»Ich sollte dich darauf vorbereiten, daß es meinem Vater nicht gut geht«, begann der junge Caesar, sichtlich um Fassung bemüht. »Er hat ein bösartiges Geschwür in seiner Kehle, und wir fürchten alle, daß er nicht mehr lange unter uns sein wird.«
»Oh«, sagte Aurelia.
Sie bogen um eine Ecke. »Als ich deine Nachricht erhielt«, sagte er, »suchte ich auf der Stelle Marcus Aurelius auf. Ich kann kaum glauben, daß du mich gewählt hast!«
»Ich kann kaum glauben, daß ich dich gefunden habe«, erwiderte sie.
»Meinst du, daß Publius Rutilius das absichtlich arrangiert hat?«
Aurelia mußte lächeln. »Ganz bestimmt.«
Sie gingen die Straße hinunter und bogen wieder um eine Ecke. »Ich habe den Eindruck, du bist nicht sehr gesprächig«, bemühte sich der junge Caesar erneut, das Gespräch in Gang zu halten.
»Nein.«
Und das war ihre ganze Unterhaltung, bis sie zum Haus von Caesars Familie kamen.
Ein Blick auf die Braut seines Sohnes zerstreute Caesars Bedenken. Das war keine verwöhnte, anspruchsvolle Schönheit! Oh, was er gehört hatte, traf vollkommen zu, sie war außergewöhnlich schön, doch nicht in der üblichen Weise. Das, dachte er, war vermutlich der Grund, warum ihr nur der Zusatz »außergewöhnlich« gerecht wurde. Was für wundervolle Kinder sie haben würden! Kinder, die er nicht mehr sehen würde.
»Setz dich, Aurelia.« Seine Stimme war kaum hörbar, deshalb deutete er auf einen Stuhl neben sich, der ein Stück nach vorne gerückt war, so daß er sie ansehen konnte. Sein Sohn setzte sich auf seine andere Seite.
»Was hat Marcus Aurelius dir von unserem Gespräch erzählt?« fragte er.
»Nichts«, erwiderte Aurelia.
Caesar berichtete ihr von der Unterredung, die Cotta und er über die Verwendung ihrer Mitgift geführt hatten. Dabei machte er aus ihrer beider Einstellung zu der Hochzeit kein Hehl.
»Dein Onkel und Vormund will dir die Entscheidung überlassen. Möchtest du lieber ein eigenes Haus oder ein Mietshaus?«
Was würde Cornelia, die Mutter der Gracchen, tun? Diesmal fand Aurelia die Antwort ohne langes Überlegen: Cornelia, die Mutter der Gracchen, würde sich für den ehrenhaften Weg entscheiden, egal wie hart er wäre. Nur ging es in ihrem Fall um die Ehre von zwei Personen, die ihres Liebsten und ihre eigene. Ein eigenes Anwesen wäre die bequemere und ihr vertrautere Lösung, aber es würde die Gefühle ihres Liebsten verletzen, wenn er in einem Haus wohnen mußte, das vom Geld seiner Frau gekauft worden war.
Sie wandte ihren Blick von Caesar ab und schaute seinen Sohn an. »Was wäre dir lieber?« fragte sie ihn.
»Es ist deine Entscheidung, Aurelia.«
»Nein, Gaius Julius, du mußt entscheiden. Ich werde deine Frau sein. Ich möchte eine Ehefrau sein, die weiß, was sich gehört, und die ihren Platz kennt. Du wirst der Herr des Hauses sein. Dafür, daß ich dir diesen Platz einräume, erwarte ich nur, daß du ehrlich zu mir bist und mich ehrenhaft behandelst. Die Entscheidung darüber, wo wir leben werden, liegt bei dir. Ich werde sie anerkennen, in Worten wie in Taten.«
»Dann werden wir Marcus Aurelius bitten, ein Mietshaus zu suchen und es auf deinen Namen eintragen zu lassen«, erwiderte der junge Caesar, ohne zu zögern. »Es muß das lohnendste und beste Mietshaus sein, das er finden kann. Ich stimme meinem Vater zu - es ist nicht wichtig, wo es liegt. Die Mieteinnahmen gehören dir. Wir werden in einer der ebenerdigen Wohnungen leben, bis ich in der Lage bin, uns ein eigenes Haus zu kaufen. Von dem Geld, das ich aus meinen Ländereien beziehe, werden wir und unsere Kinder leben. Das bedeutet, daß du die volle Verantwortung für das Mietshaus trägst, ich werde nichts damit zu tun haben.«
Sie war mit seiner Entscheidung einverstanden, das war deutlich sichtbar, doch sie sagte nichts.
»Du bist nicht sehr gesprächig«, meinte Caesar verwundert.
»Nein«, sagte Aurelia.
Cotta machte sich tatkräftig auf die Suche nach einem geeigneten Mietshaus, er wollte unbedingt ein behagliches Haus in einer der besseren Gegenden Roms finden. Doch so sorgfältig er auch suchte, das beste Angebot war und blieb ein ziemlich großes Mietshaus in der Subura. Obwohl es schon vor dreißig Jahren erbaut worden war, befand es sich in gutem Zustand, denn da es der Bauherr selbst bewohnen wollte, hatte er beim Bau auf solide Arbeit geachtet. Cotta, Aurelia und der junge Caesar besichtigten das Mietshaus, nachdem sie sich bereits eine ganze Reihe anderer
Weitere Kostenlose Bücher