MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Abwasserkanal nicht bis hierher reicht, wenn der Tiber Hochwasser führt. Das Rohr, das das Haus mit den Hauptrohren verbindet, ist größer als heutzutage üblich - die meisten neuen Häuser erhalten ja inzwischen gar keinen Anschluß mehr! Natürlich nutzte der frühere Besitzer die Wasser- und Abwasserversorgung für sich selbst, die Mieter sind mit der öffentlichen Latrine und den Bädern gegenüber gut versorgt.«
Aurelia hörte aufmerksam und erleichtert zu, denn sie hatte schon gehört, daß die Mietshäuser üblicherweise weder Frischwasser noch Abwasserleitungen besaßen. Die Aussicht, kein eigenes Bad und keine eigene Toilette zu haben, hatte sie bestürzt und einen düsteren Schatten auf ihr neues Leben als Vermieterin geworfen. Keines der Mietshäuser, die sie bisher besichtigt hatten, war mit Wasserleitungen ausgestattet gewesen, obwohl sie alle in besseren Bezirken lagen. Wenn Aurelia vorher noch geschwankt hatte, ob dieses Haus das richtige war - jetzt zweifelte sie nicht mehr.
»Wieviel Miete wirft es ab?« fragte Caesar.
»Zehn Talente im Jahr - eine viertel Million Sesterze.«
»Gut, sehr gut!« nickte Cotta.
»Die Instandhaltungskosten sind niedrig, weil der Bauherr auf beste Qualität geachtet hat«, sagte der Makler. »Deshalb wird es auch stets genügend Mieter geben. So häufig kommt es vor, daß Mietshäuser einstürzen oder bei einem Feuer brennen wie Zunder. Aber dieses hier nicht! Außerdem grenzen zwei Seiten an Straßen, die dritte an einen breiteren Durchgang, und das bedeutet, daß es nicht schnell Feuer fängt, wenn es in der Nachbarschaft brennt. Ja, dieses Haus ist so solide wie ein Schiff von Granius. Darauf gebe ich mein Wort.«
Cotta, Caesar und Aurelia waren zu Fuß gekommen, da man in dem Gewimmel auf den Straßen der Subura mit einer Sänfte nicht vom Fleck kam. Zu Aurelias Schutz hatte Cotta die beiden Gallier mitgenommen, doch diese Vorsichtsmaßnahme erwies sich als überflüssig. Zur Mittagszeit war es hell, und die Menschen schienen viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als daß sie die schöne Aurelia belästigt hätten.
»Was meinst du?« fragte Cotta sie, als sie die Fauces Suburae Richtung Argiletum hinuntergingen, um das untere Ende des Forum Romanum zu überqueren.
»Oh, Onkel, es ist ideal!« sagte sie, dann wandte sie sich um und sah Caesar an. »Bist du auch der Meinung, Gaius Julius?«
»Ich denke, es ist genau das Richtige für uns«, sagte er.
Cotta war einverstanden. »Gut, dann werde ich heute nachmittag den Kaufvertrag abschließen. Für fünfundneunzig Talente ist es ein gutes Geschäft, wenn nicht sogar ein Gelegenheitskauf. Und ihr habt fünf Talente übrig, für die ihr Möbel kaufen könnt.«
»Nein«, widersprach Caesar entschieden. »Für die Möbel bin ich verantwortlich. Ich bin nicht mittellos! Meine Güter bei Bovillae werfen ein gutes Einkommen ab.«
»Ich weiß, Gaius Julius«, meinte Cotta geduldig. »Du hast mir davon erzählt, erinnerst du dich?«
Der junge Caesar erinnerte sich nicht. Alles, woran er in diesen Tagen denken konnte, war Aurelia.
Die Hochzeit fand im April statt, an einem wunderschönen Frühlingstag, und alle Vorzeichen waren günstig. Sogar Gaius Julius Caesar schien es ein wenig besser zu gehen.
Rutilia weinte, und Marcia weinte, die eine, weil ihr erstes Kind heiratete, die andere, weil ihr letztes Kind aus dem Haus ging, um von nun an mit seiner Gattin zu leben. Julia und Julilla waren anwesend, ebenso Sextus’ Frau Claudia, aber ihre Ehemänner konnten nicht kommen - Marius und Sulla waren immer noch in Africa, Sextus Caesar rekrutierte Männer für die Armee in Italien und erhielt keinen Urlaub vom Konsul Gnaeus Mallius Maximus.
Cotta hatte dem jungen Paar für den ersten Monat der Ehe ein Haus auf dem Palatin mieten wollen. »Gewöhnt euch erst einmal daran, verheiratet zu sein, und dann an das Leben in der Subura«, hatte er voller Sorge um sein einziges Mädchen gesagt.
Das junge Paar hatte das Angebot jedoch entschieden abgelehnt. So war der Weg der Hochzeitsgesellschaft sehr weit, und die ganze Subura schien der jungen Braut zuzujubeln. Der junge Caesar war mehr als erleichtert, daß Aurelias Gesicht von einem Schleier verhüllt wurde. Er hörte über die anzüglichen Bemerkungen hinweg und verbeugte sich im Gehen lächelnd nach rechts und links.
»Das sind unsere künftigen Nachbarn, wir müssen lernen, mit ihnen zurechtzukommen«, sagte er zu seiner Braut. »Hör einfach nicht
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