MoR 01 - Die Macht und die Liebe
hin.«
»Mir wäre es lieber, ihr würdet euch von ihnen fernhalten«, knurrte Cotta, den man nur mit Mühe davon abgebracht hatte, Gladiatoren zur Begleitung der Hochzeitsgesellschaft zu bestellen. Die Subura mit ihren riesigen Menschenmassen und der hohen Verbrechensrate war ihm nicht geheuer, und die rüde Sprache bestätigte seine Befürchtungen.
Als sie Aurelias insula erreichten, hatte sich hinter ihnen eine große Menschenmenge angesammelt, die auf ihre Weise mitfeiern wollte und hoffte, am Ende der Straße werde der Wein reichlich fließen. Doch Cotta, Lucius Cotta und die beiden Gallier hielten die Meute zurück, bis Caesar seine junge Braut über die Schwelle getragen und die Tür hinter sich zugeschlagen hatte. Unter dem Protestgeheul der ungeladenen Gäste schritt Cotta hoch erhobenen Hauptes den Vicus Patricii hinunter.
Nur Cardixa war in der Wohnung. Aurelia hatte beschlossen, mit dem Rest ihrer Mitgift die notwendige Dienerschaft zu kaufen, aber sie hatte das Vorhaben bis nach der Hochzeit verschoben, weil sie ihre Diener ohne die Hilfe ihrer Mutter oder ihrer Schwiegermutter auswählen wollte. Auch der junge Caesar mußte Diener kaufen: einen Hausverwalter, einen Mundschenk, einen Sekretär, einen Gehilfen und einen Kammerdiener. Aurelias Liste war länger: Sie brauchte zwei Sklavinnen für schwere Hausarbeiten, eine Wäscherin, einen Koch und einen Hilfskoch, zwei Diener für verschiedene Zwecke und einen starken Mann. Kein großer Haushalt, aber angemessen.
Draußen brach gerade die Dämmerung herein, doch in der Wohnung war es schon fast dunkel. Als sie das Haus vor einigen Wochen besichtigt hatten, war das nicht aufgefallen, denn sie waren in der Mittagszeit gekommen. Jetzt bemerkte Aurelia, daß das Licht durch die oberen Stockwerke abgehalten wurde, wenn die Sonne tiefer stand. Cardixa hatte zwar alle Lampen angezündet, doch sie reichten nicht aus, um die dunklen Ecken zu erhellen. Cardixa selbst blieb in ihrem Zimmer, denn sie wollte die Neuvermählten nicht stören.
Am meisten überraschte Aurelia jedoch der Lärm. Er kam von überall, von der Straße, von den Treppen zu den oberen Stockwerken, aus dem Lichtschacht, er schien sogar aus dem Boden zu dringen. Schreie, Flüche, Gepolter, laute Unterhaltungen, Auseinandersetzungen, Beschimpfungen, weinende Säuglinge, schreiende Kinder, Frauen und Männer, Musikanten, die auf ihre Trommeln und Becken eindroschen, Liedfetzen, brüllende Ochsen, blökende Schafe, Maultiere und Esel, endlos vorbeirumpelnde Karren, Gelächter.
»Oh, wir werden unser eigenes Wort nicht verstehen können!« sagte sie und versuchte, die aufsteigenden Tränen wegzublinzeln. »Gaius Julius, es tut mir so leid! Ich habe nicht an den Lärm gedacht!«
Caesar war klug und einfühlsam genug, um zu wissen, daß zumindest ein Teil dieses ungewöhnlichen Ausbruchs nicht auf den Lärm zurückzuführen war, sondern auf die Hektik der letzten Tage, die Aufregung der Hochzeitsvorbereitungen und der Heirat. Er selbst hatte dies empfunden, wieviel stärker mußte erst seine junge Frau darunter gelitten haben?
So lachte er fröhlich und versicherte: »Wir werden uns daran gewöhnen, keine Angst. Ich verspreche dir, in einem Monat werden wir den Krach überhaupt nicht mehr hören. Außerdem - in der Schlafkammer wird es nicht ganz so schlimm sein.« Als er ihre Hand ergriff, fühlte er, wie sie zitterte.
Die größere Schlafkammer, die an das Arbeitszimmer angrenzte, war wirklich ruhiger. Sie lag vollkommen im Dunkel, und außer der Tür gab es keine Frischluftzufuhr - wegen der falschen Zimmerdecken, die den zusätzlichen Stauraum boten, den der Makler angepriesen hatte.
Caesar ließ Aurelia im Arbeitszimmer stehen und holte eine Lampe aus dem Wohnraum. Hand in Hand betraten sie die Schlafkammer und hielten dann wie verzaubert inne. Cardixa hatte den Raum über und über mit Blumen geschmückt und duftende Blüten auf das breite Bett gestreut, entlang der Wände standen Vasen jeder Größe mit Rosen, Levkojen und Veilchen, und auf einem kleinen Tischchen waren eine Karaffe mit Wein, eine mit Wasser, zwei goldene Becher und eine große Platte mit Honigkuchen angerichtet.
Sie waren beide nicht schüchtern. Man hatte sie in sachlicher Weise über sexuelle Dinge aufgeklärt, wenn auch nicht in allen Einzelheiten. Jeder Römer, der es sich leisten konnte, bevorzugte Zurückgezogenheit für Intimitäten, besonders wenn er sich dabei entblößte, aber gehemmt war man nicht.
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